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Rezension zu
Das eiserne Herz des Charlie Berg

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Was für ein Schlimassel!

Von: Jana H.
17.03.2020

In Stuertz‘ Blog, in dem er auch über die Entstehung dieses seines Erstlings schreibt, wird er gefragt, wer das denn alles lesen solle. Und tatsächlich: Es ist ein Wälzer von über 700 Seiten. Doch keine Bange, es sind unterhaltsame Seiten, die in die 90er zurückblicken − gar nicht so ferne, aber noch weitgehend analoge Jahre, die wir uns heute kaum noch vorstellen können. VHS-Kassetten sind wichtiges Kommunikationsmittel, Telefone mit Wählscheiben werden benutzt, ein Kassettenrekorder und natürlich das Mischpult mit Knöpfen und Reglern seines dauerhaft bekifften Vaters Dito. Der Name des Helden, Charlie, ist einprägsam. Für das übrige und ziemlich schräge Personal braucht es jedoch gefühlt die ersten fünfzig bis hundert Seiten, um ihre Namen einsortieren zu können. Da sind mütterlicherseits sein Opa Bardo, der leider, leider gleich zu Beginn vor Charlies Augen das zeitliche segnet und seine Oma, ebenfalls schon tot. Rita, seine biologischen Mutter, die sich nicht um ihn kümmert; Ditos Musikerkollege Stucki, Sera, eine adoptierte Gräfin, und seine ferne Liebe Mayra aus Mexiko, seine italienischen Großeltern Nonno und Nonna, der Hund Helmi und viele mehr. Und so bunt es beim Personal zugeht, so bunt wird auch parliert: immer wieder mit italienischen oder spanischen Einsprengseln, oft aber auch ziemlich herzhaft. Allerdings gibt es Passagen, in denen der Autor übertreibt: Brutale Jungmännerfantasien werden in die Tat umgesetzt und detailliert beschrieben. Da ergibt sich die Frage, ob der gemeine Leser nicht vorgewarnt werden sollte. Doch Charlie ist ein liebenswerter Held, der sich um alles und jeden kümmert und dem trotzdem gefühlt alles, was er anfasst schief geht: Beim gemeinsamen Jagdausflug wird Opa erschossen, die Eroberung des Baumhauses mit seiner mexikanischen Freundin Mayra wird auf peinliche Weise sabotiert, auch der Auftritt beim Text.Eval endet unerfreulich und natürlich kommt ihm sein Herz immer wieder bei den unpassendsten Gelegenheiten dazwischen. Schön Stuertz‘ Wortkreation: Was für ein Schlimassel! Eine besondere Eigenschaft Charlies als Folge einer Herzattacke ist Fluch und Segen zugleich: Sein Geruchssinn, literarischer Ausdruck seiner immensen Empfindsamkeit, der immer dann besonders gut funktioniert, wenn unser Held starken Gefühlen, wie Wut und Schmerz, ausgesetzt ist. Doch so schlimm die Geschichten von Charlie und seinen Gefährten sind, beim magischen Hirschgulasch werden sie so lange wiederholt, übertrieben und ausgeschmückt, dass vom Drama am Ende nicht viel bleibt. Auf diese Weise wird auch aus der ganzen Geschichte kein großes Drama, sondern sie beschreibt mit viel Witz eine Welt, die einerseits Erinnerungen weckt und andererseits die fremde Welt einer überdrehten Familie vorstellt, wie sie den meisten sehr fremd sein dürfte − anders eben und trotz der kleinen Einschränkungen ein Lesevergnügen.

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