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Rezension zu
Die Spur des Schweigens

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

me-too im Wissenschaftsbetrieb

Von: Schneeweißchen und Rosenrot
23.09.2021

Lisa, 39 Jahre, ist die typische Heldin eines modernen Frauenromans, in diesem Fall „Die Spur des Schweigens“ von Amelie Fried. Jene hat jede Menge Probleme zu lösen: keine feste Beziehung, keinen festen Job als freie Journalistin, die sich von Gelegenheitsauftrag zu Gelegenheitsauftrag hangelt, bald auch keine Wohnung mehr, die man ihr aus Eigenbedarf gekündigt hat, dazu eine an Demenz erkrankte Mutter und einen seit vielen Jahren verschollenen Bruder, dessen Schicksal sie nicht loslässt, sondern vielmehr Ursache für viele ihrer Probleme ist, wie sie glaubt. Dafür aber hat sie auch zwei gute Freundinnen, die ähnliche Partnerschaftsprobleme mit ihr zusammen in einem Salsa-Kurs wegtanzen wollen, einen Freund, der Anwalt ist, fürsorglicher Vater zweier Kinder, die er mit Bioschokolade mit Tonkabohnen-Mousse verwöhnt, und dessen Hilfe sie noch nötig haben wird, und einen weiteren Freund, der ihr einen journalistischen Auftrag verschafft, der ihrem Leben eine dramatische Wendung geben wird und sie zugleich auf die Fährte ihres vermissten Bruders setzt. Denn die Frage treibt sie um, ob der Fall, über den sie berichten wird, auch etwas mit ihm und seinem Verschwinden zu tun hat: Es geht um sexuelle Belästigung und den Machtmissbrauch von Männern in führenden Positionen eines Wissenschaftsinstitutes. Damit reißt der Unterhaltungsroman, der sich leicht liest, ein ernstes und zugleich aktuelles Thema an, das seit der me-too-Debatte für gesellschaftlichen Diskussionsstoff sorgte. Interessant ist der Angang an dieses Thema insofern, da die Protagonistin zunächst eine eher skeptische Haltung einnimmt und nicht gleich als Frau auf Seiten der Frauen in die Debatte einsteigt. Vielmehr fragt sie sich zunächst, ob jeder freche Spruch oder jede anzügliche Geste von Männern Frauen gegenüber gleich ein Grund sei, nach sexueller Belästigung zu schreien, oder ob die Frauen nicht „Manns“ genug sein sollten, sich selbst dagegen zur Wehr zu setzen. Im Verlauf des Romans muss die Heldin ihren Standpunkt differenzieren, wobei – als großer Pluspunkt des Romans – dieses schwierige Thema aus unterschiedlichen Perspektiven – der Frau als hilflosem Opfer, des zu Unrecht diffamierten Mannes, aber auch des sich seiner Männlichkeit überbewussten Täters – beleuchtet wird. Allerdings lenkt der Roman durch all die anderen, oben bereits erwähnten Probleme der Protagonistin bisweilen zu sehr von diesem Thema ab. Und auch die Tatsache, dass sich am Ende zu vieles zu sehr in Wohlgefallen auflöst, lässt ein wenig an Tiefgang in der Auseinandersetzung vermissen. Somit bleibt „Die Spur des Schweigens“ ein locker zu lesender Unterhaltungsroman mit dem ein oder anderen Klischee moderner „Frauenbücher“ und auch die Frage, ob ein Unterhaltungsroman einem so komplexen Thema wirklich gerecht werden kann.

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