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Rezension zu
Sodom und Berlin

Ein groteskes, surreales, fantastisches Spiegelbild seiner Zeit

Von: Lesereien
14.12.2021

Yvan Golls Roman „Sodom und Berlin” ist eine rasante Stadtrundfahrt, ein faszinierendes, groteskes und surreales Porträt eines Ortes und seiner Menschen. Berlin wird schon zu Beginn mit dem Tod, mit Finsternis, Wahnsinn und Dekadenz gleichgesetzt. Die Pflastersteine der Stadt klaffen auf und die Assoziation mit der mythologischen Unterwelt drängt sich dem Leser auf. Der Hochstapler Odemar Müller ist die Hauptfigur dieser Geschichte, den es zuerst nach Bonn in eine Studentenverbindung schlägt, der dann an der Front kämpft, in Berlin landet und als Redakteur arbeitet, kurz darauf eine mystische Gesellschaft gründet und schließlich der wohl einzige Träger eines Bazillus ist, der Europa zugrunde richten wird. Golls Roman spiegelt das Wesen der Zwischenkriegszeit wider. Sie wird als apokalyptisch, dekadent und „vermodernd” dargestellt. Ihre Menschen sind Wracks, sind „innerlich bereits völlig ausgehöhlt”. Hunger, Elend und Armut prägen das Stadtbild: „Draußen fror und hungerte Berlin. Das deutsche Elend nahm katastrophale Ausmaße an.” Es ist in dieser Zeit, in der sich Menschen nach Liebe, Freiheit, Idealen und nach Sinn sehnen. Die Figuren des Romans verkörpern diese Sehnsüchte auf anschauliche Weise. Die editorische Notiz des Verlags am Ende des Buches weist den Leser darauf hin, dass die Anspielungen im Roman so zahlreich sind, dass Kommentare insgesamt länger als der Text selbst werden würden. Und das macht sich schon früh während des Lesens bemerkbar. Der Text funktioniert auf mehreren Ebenen, ist so vielschichtig und bildreich, dass eine einmalige Lektüre sicherlich nicht ausreicht, um ihn in seiner Gänze erfassen zu können. Gleichzeitig überfordert der Roman nicht, sondern macht Spaß und lässt den Leser fast durchgängig vergessen, dass er vor etwa einem Jahrhundert entstanden ist. Zu Unrecht hat die Nachwelt Golls Werk so wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

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