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Rezension zu
Schöner schreiben

Wunderschön!

Von: Morgenwald
15.01.2022

Hauke Goos sammelt leidenschaftlich gerne herausragende Textstellen. Prosaschnippsel, die das Herz berühren und die Welt erklären. „Was den Unterschied macht zwischen einem Gedanken, einer Szene, einem Bild, das jemand halt irgendwie aufschreibt – und einer Passage, die das Gemeinte auf einzigartige Weise ausdrückt: mit einem verblüffenden Sprachbild zum Beispiel („Ich trinke Sterne“), mit einem Gedankenstrich an der richtigen Stelle, mit einem überraschenden Adjektiv, mit Rhythmus, einer Melodie, mit einem ganz eigenen, magischen Sound. Man erkennt die Stelle sofort. Weil man innehält, weil man zurückliest, weil man staunt.“ 50 solcher literarischen Schätze greift Goos heraus, erläutert sie uns und nimmt uns mit, zu der Entstehung dieser Prosa. Darunter sind unter anderem: Magellan von Stefan Zweig, Faserland von Christian Kracht, ein Brief von Sigmund Freud an C.G.Jung, Erich Kästner, Heinrich von Kleist, Hannah Arendt, Anmerkung zu Hitler von Sebastian Haffner, Kommentar zu Endspiel der WM 1954, Hans Christian Andersen, Rosa Luxemburg, Kafka, Theodor W. Adorno, Rilke, Thomas Mann, Patrick Süskind, Joschka Fischer, Otfried Preußler, Marc-Uwe Kling... Meinung: Ich finde das Buch wunderschön! Bei vielen der Textstellen geht einem wirklich das Herz auf. Meine liebste Stelle ist diese: „Es gibt seit gestern keine Gemeinschaft zwischen mir und ihm, nicht im Leben und nicht im Tod. Ich kenne diesen Feigling nicht. Dornen sollen wachsen, wo er noch hinwankt. Und das Bewußtsein der Schande soll ihn würgen in jedem Augenblick. Hauptmann, Gerhart, ist ehrlos geworden. Alfred Kerr, „Gerhart Hauptmanns Schande“, in: Prager Mittag, 30.10.1933“ Kerr und Hauptmann waren Freunde – bis zur Machtübernahme Hitlers. Goss dazu: „Seit der Mensch sprechen gelernt hat, muss er auf seinen Nächsten nicht mehr einprügeln, wenn er erregt oder wütend ist – die Sprache allein ermöglicht Affektabfuhr. Mit Wörtern kann der Mensch tadeln und spotten, höhnen und beleidigen, verletzen und zerstören. Er kann, wenn er will, sogar vernichten.“ Goss zeigt uns nicht nur wunderschöne und bewegende Prosa, sie zeigt nicht nur, was man mit Sprache alles machen kann. Sie nimmt uns mit durch die Zeit und lässt uns auf menschliche Abgründe blicken. Und da wir alle diese Abgründe in uns tragen, erkennen wir uns wieder und staunen, wie glasklar jemand anders dies benennen kann. Ein Wort zum Titel: Der ist etwas unglücklich gewählt. Sie selbst schreibt im Vorwort, dass er missverständlich sein könnte. Unter „Schöner schreiben“ hat sie eine Kolumne auf Spiegel.de. Da teilt sie ihre Fundstück zur Sprache. Aber wer den Klappentext liest, sollte wissen, dass es dies kein Schreibratgeber ist. Ich empfehle das Buch allen, die Sprache lieben und deren Herz bei schönen Textstellen vor Begeisterung einen kleinen Hüpfer macht.

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