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Rezension zu
Der Pfad der Adlerkrieger

Das Wuxia-Abenteuer geht fulminant weiter. Mustread für Liebhaber der Serie!

Von: Koreander
04.10.2022

Das Warten hat ein Ende. Der dritte Teil der epochalen Trilogie um die Adlerkrieger ist gerade bei Heyne erschienen. So dachte ich. Aber weit gefehlt. Der Pfad der Adlerkrieger ist mitnichten der Abschluss der Trilogie, nicht mal ansatzweise. Aber dazu gleich mehr. Wer den ersten Teil „Die Legende der Adlerkrieger“ und den zweiten Teil „Der Schwur der Adlerkrieger“ gelesen hat, darf sich nun aber endlich auf die Fortsetzung freuen. Denn was bei meiner ersten Rezension galt, gilt auch jetzt noch: kein Superlativ kann zu hoch ausfallen. Es geht genauso weiter, wie es aufgehört hat. Guo Jing und Huang Rong müssen sich mit ihrem fulminanten Kung Fu zahlreicher Gefahren erwehren. Gerade der Pfirsichblüteninsel entkommen und mit dem Schiff des Ketzers des Ostens untergegangen, bleibt ihnen keine Ruhepause. Ausgerechnet Ouyang Feng und Ouyang Ke retten die zusammengewürfelte Gruppe. Es kommt, wie es kommen muss. Ein Abenteuer reiht sich an das nächste und so wie wir es von den ersten beiden Bänden gewohnt sind, kommt keine Langweile auf. Den roten Faden bildet dieses Mal die Suche nach den Schriften des legendären Generals Yue Fei. Mithilfe dieser militärisch-taktischen Notizen soll es gelingen, die heranstürmenden Truppen Wanyan Honglies aufzuhalten und zu besiegen. Im Gegensatz zu den vorausgehenden Büchern, ist die Handlung allerdings sehr auf Jing und Rong konzentriert, was dem Ganzen leider auch erheblich Tiefe nimmt. Viele weitere liebgewordene Protagonist*innen spielen in diesem Band entweder gar keine Rolle oder fristen ein Randdasein. Auch die Entwicklung der Figuren findet kaum statt. Was bleibt ist eine rasante Handlung, die noch mehr als zuvor von zahlreichen Kämpfen geprägt ist. Diese sind allerdings wieder fantastisch und grandios geschrieben. Die unterschiedlichen Stile treffen aufeinander, jeweils mit ihren Geheimtechniken und ihren Finten, Paraden und geradezu magischen Attacken. Wuxia-Literatur wie sie schöner nicht sein kann. Und dennoch fehlt diesem dritten Band das Besondere. Während Teil 1 und 2 geradezu genial und epochal sind, wirkt dieser dritte Teil schon fast gewöhnlich. An manchen Stellen schon fast nervig repetitiv. Kaum gewonnen, schon zerronnen. Kaum befreit, schon wieder gefangen. Das funktioniert zwar leidlich gut, aber Vieles wirkt nun auch arg konstruiert, um die Geschichte in die Länge zu ziehen. In den USA gibt es den Begriff „jumping the shark“. Dieser bezieht sich ursprünglich auf Fernsehserien, die ihren Höhepunkt überschritten haben. Der Name geht auf die Serie „Happy Days“ zurück. In dieser springt eine der Hauptfiguren mit Wasserskiern über einen Hai, was von vielen Fans als außerordentlich lächerlich wahrgenommen wurde und als Turning Point der Serie gilt. Ab hier geht’s bergab, so vielleicht der landläufige Tenor. Nun will ich nicht so weit gehen und diese auch weiterhin äußerst unterhaltsame Geschichte als beendet erklären, aber man kommt nicht umhin, den Ritt auf dem Hai von Zhou Botong als eben solchen jumping the shark Effekt wahrzunehmen, quasi die Steigerung: riding the shark. Klar, die Adlerkrieger sind Fantasy – und dazu noch sehr gute. Aber Der Pfad der Adlerkrieger fordert die Leser*innen schon mehr heraus. Da reiht sich Missverständnis an Missverständnis, nur um die Handlung weiter strecken zu können. Einige Logiklöcher tun sich auf, wenn der Vater aus lauter Eile vergisst sich nach seinem schwerverletzten Sohn oder seiner vermissten Tochter zu erkundigen – als wäre das bisher nicht das Wichtigste gewesen. Was sich in den ersten beiden Teilen wunderbar ineinandergefügt hat, holpert hier ein wenig. Die kritiklose Freude der ersten beiden Bände wird nun etwas getrübt und alles wird ein wenig ambivalenter. Am meisten hat mich gestört, dass der Fokus auf so wenige Protagonist*innen verengt ist. Auch der historische Kontext mit den Mongolen und Jin gerät doch arg in den Hintergrund. Aber zugegeben, es ist Jammern auf sehr hohem Niveau. Denn es war wieder ein wundervolles Lesevergnügen und ein wahrer Pageturner. Und es lässt ja auch hoffen, dass in der Fortsetzung wieder mehr Wert auf die anderen Helden des Jianghu gelegt wird. Wie Fortsetzung? Tja und das ist das große Rätsel und eine nicht geringe Verwirrung. Jin Yong hat den Adlerkriegern eine Trilogie gewidmet. Und bisher dachte ich, es wäre eben diese Trilogie, die im Heyne Verlag veröffentlicht wird. Dem ist aber (erst einmal) nicht so. Die drei veröffentlichten Bände entsprechen nicht einmal dem ersten Teil der Originaltrilogie. Dazu würde es noch eines vierten Bandes benötigen. Dieser existiert zwar in einer englischen Übersetzung, ist aber als deutsche Version bisher nicht angekündigt. Teil zwei und drei der Trilogie sind sogar noch nicht einmal ins Englische übertragen worden. Angeblich wird seit 2018 an einer 12-bändigen Übersetzung gearbeitet, was ich so aber nicht verifizieren konnte. Dass deutsche Leser*innen also in den Genuss des zweiten und dritten Teils der Trilogie kommen, die erst dann wirklich zu einem epochalen Werk wird, dürfte also weitestgehend ausgeschlossen sein. Und ob wir wenigstens das Ende des originalen ersten Teils lesen dürfen, also den dann vierten Band ebenfalls übersetzt bekommen, steht auch noch nirgends geschrieben. Nur dreiviertel von „The Legend of the Condor Heroes“ zu übersetzen, wäre schon fast Betrug an den Leser*innen. Abschließend sei aber wieder der Übersetzerin Karin Betz gedankt, die dieses Meisterwerk in die deutsche Sprache übertragen hat. Dabei handelt es sich nicht lediglich um eine Übersetzung, sondern um eine eigenständige literarische Leistung. Ein direktes Übersetzen würde den deutschen Leser*innen recht wenig bringen, da die ganzen kulturellen Anspielungen zwar jedes chinesische bzw. asiatische Kind versteht, aber in Deutschland nur auf Unverständnis stoßen würde. Da werden Persönlichkeiten der chinesischen Geschichte mit literarischen Protagonist*innen verwoben und gleichgesetzt, da wird auf Klassiker von Kunst, Kultur und Literatur rekurriert, Lieder und Gedichte werden selbstverständlich integriert. Alles Aspekte, die deutsche Leser*innen eher verwirren würden. Wer sich hiervon ein Bild machen möchte, möge „Die Reise in den Westen“ lesen. Die Übersetzung ist zwar ebenfalls grandios, aber dieser chinesische Klassiker wurde direkter übersetzt. Da habe ich schonmal ein paar hundert Seiten gebraucht, um hereinzukommen. Gut angesichts von knapp 1.500 Seiten, geht das ja auch wieder in Ordnung. Alles in Allem ist Der Pfad der Adlerkrieger wieder fantastische Literatur. Und schon allein, weil es ansonsten kaum chinesische Romane gibt, und noch weniger Wuxia-Romane, ist das hier ein mustread.

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