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Rezension zu
Die Tochter des Kommunisten

Deutsch-Deutsch-Spanische Beziehungen

Von: Literaturreich
31.01.2023

Die junge spanische Autorin Aroa Moreno Durán, Jahrgang 1981, greift mit ihrem schmalen Debütroman Die Tochter des Kommunisten ein eher ungewöhnliches Thema auf und – das will ich gleich verraten – hat mich damit vollkommen überzeugt. Dabei schreibt sie nicht, wie viele Debütant:innen eine autobiografisch gefärbte Erzählung, sondern nimmt sich ein weniger bekanntes Kapitel der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts vor. 2017 gewann sie damit den Premio Ojo Critico. Es ist die Geschichte von Katia, die in den 1950er Jahren in Ostberlin aufwächst. Der kalte Krieg zwischen den Westmächten und der Sowjetunion spitzt sich zu, im Osten herrscht Mangel, Planwirtschaft, Rationierung. 1961 erlebt die kleine Katia auf ihrer üblichen Einkauftour in den Westsektor wie die Mauer errichtet wird. Was bei dieser typische erscheinenden Ostberliner Kindheit besonders ist, ist die spanische Herkunft und Geschichte der Eltern von Katia und ihrer jüngeren Schwester Martina, die beide in der DDR geboren wurden. Der Vater der Mädchen flüchtete als Mitglied der kommunistischen Partei und Kämpfer auf der Seite der Republik bereits 1938 vor dem faschistischen Franco-Regime in die Sowjetunion und nach Kriegsende in die DDR. Dorthin holte er seine Frau nach und gründete eine Familie. Es ist ein etwas karges, ein wenig langweiliges Leben, das die Familie in einem Plattenbau am Bersarinplatz in Berlin Friedrichhain führt. Der Vater ist überzeugter Kommunist, predigt den kindern Dankbarkeit für das Land, das ihn aufnahm und vor der Verfolgung schützte. Die Mutter ist deutlich weniger glücklich mit der Lage, weniger integriert, hat Heimweh und trauert vor allem um die abgerissenen Bande zu ihrer Familie. Kontakt zwischen dem sowjetischen Bruderland und dem bis zu Francos Tod 1975 faschistischen Spanien waren unmöglich, eine Rückkehr sowieso. Manchmal kommt auf verschwiegenen, konspirativen Wegen ein Brief der Schwester bis nach Berlin. Für Martina und Katia hingegen ist ihr Leben normal, sie fühlen sich als DDR-Bürgerinnen. Während des Studiums fühlt Katia dann mehr und mehr die Fremdbestimmtheit ihres Lebens in der DDR. Als sie sich eines Tages Hals über Kopf in einen jungen Mann aus dem Westen verliebt, gibt sie dessen Drängen eher unbedacht und spontan nach und begeht Republikflucht. Die von Johannes organisierte Flucht erfolgt im November 1971 über die Tschechoslowakei nach Österreich. Katia bereut ihren Entschluss fast sofort, dennoch führt sie fast zwanzig Jahre eine mittelprächtige Ehe mit Johannes in dessen Heimatort Backnang in Schwaben, bekommt zwei Töchter. Mit den Eltern und der Schwester hat sie keinerlei Kontakt, bis auf einen kurzen Anruf von Martina 1979, der den Tod des Vaters mitteilt. Eine von Johannes organisierte Spanienreise in den Heimatort der Eltern, Dos Aguas in der Nähe von Valencia, rettet weder die Ehe noch bringt sie Katia das Land ihrer Eltern näher. Katia gleitet immer mehr in eine Depression. Aroa Moreno Durán erzählt ihre Geschichte auf nur 170 Seiten in datierten Episoden. Ihr gelingt dabei ein authentisch anmutender, genauer Blick sowohl auf die Nachkriegs-DDR als auch auf die „Bleierne Zeit“ der 1970er und 80er Jahre in der BRD. Prägnant, eindringlich und spannend vermeidet sie dabei jegliche Klischees und fängt doch die Atmosphäre erstaunlich bestechend ein, gerade für eine so junge Autorin, die zudem keinerlei eigene Erfahrungen mit DDR, BRD oder Spaniern im Exil besitzt, sondern nur sorgfältig recherchiert hat. Die Entwurzelung der Mutter, die Reue und Resignation von Katia, die Trauer über eine endgültig verlorene Heimat und die Suche nach einer passenden Identität sind sehr gut eingefangen. Am Ende kehrt Katia doch noch einmal an den Bersarinplatz zurück. Die Mauer ist gefallen, die Mutter dement und an den Rollstuhl gefesselt. Die verbitterte Martina schließt die Tür endgültig hinter ihr. Und überlässt ihr einen Pappkoffer mit Erinnerungsstücken, Briefen und alten Stasi-Akten. Auch eine Vergangenheit, die man selbst nicht gelebt hat, kann äußerst schmerzhaft sein. Die Tochter des Kommunisten von Aroa Moreno Durán ist für mich eine sehr lesenswerte Entdeckung und ganz sicher eines der besten Bücher, die ich im Rahmen des Gastlandauftritts Spaniens zur Frankfurter Buchmesse 2022 gelesen habe.

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