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Rezension zu
Ein Geist in der Kehle

weiblich, urgewaltig, mitreißend

Von: ins_lebenlesen
24.06.2023

„Dies ist ein weiblicher Text geschrieben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Wie spät es ist. Wie viel sich verändert hat. Wie wenig.“ (Untertitel) Das Prosa-Debüt der vielfach preisgekrönten irischen Dichterin und Essayistin Doireann Ni Ghriofa hat eine Form und Wirkung, wie ich sie noch nicht erlebt habe. Gleichzeitig Roman, Essay und Lyrik scheint der Text urgewaltig und drängend aus den Tiefen ihrer Seele aufzusteigen und mich mitzuziehen. Die Ich-Erzählerin beginnt im Jahr 2012 von ihrem Leben als Ehefrau und Mutter dreier Kinder zu erzählen. Ihr Tag besteht aus einer Abfolge immer gleicher Tätigkeiten, die sie mit liebevoller Hingabe, doch auch mit einem schwermütigen Bewusstsein der Selbstaufgabe aus To-Do-Listen abstreicht. In seltenen Momenten der Stille schöpft sie Kraft aus dem Rezitieren des Gedichts einer anderen Frau. Die Rede ist von der irischen Adligen und Dichterin Eibhlin Dubh Ni Chonaill, die im 18. Jahrhundert mit einer Totenklage, in der sie ihren ermordeten Mann beweint, zu einem nationalen Mythos wurde. Die gesamte Totenklage ist an das Ende des Textes gestellt. Dieses Gedicht berührt sie so sehr, dass dessen Übersetzung und der Wunsch die Verbindung mit Eibhlin Dubh zu vertiefen, zur Obsession werden. Über der Recherche in schwer zugänglichen, zum größten Teil männlichen Dokumenten und Geschichten vergisst sie sich vollkommen. Aus diesen Texten, „das verborgene Leben der Frauen zum Vorschein [zu] bringen, das immer da ist, kodiert, geschrieben mit unsichtbarer Tinte“, bringt sie gleichzeitig wieder zurück zu sich selbst. „Ich richte mir mein Leben so ein, dass ich immer, wenn ich mal sitze, gleichzeitig blasse Silben aus Milch von mir gebe und selbst dunkle Nahrung aus Tinte trinke.“ Meinen Eindruck zu schildern fällt mir nicht leicht. Ich habe vor allem gestaunt, wie man so schreiben kann. Es ist Prosa, aber ich fühle mich auch an eine Ballade erinnert. Dann sehe ich mich in traumartigen Szenen, in dem die zwei Frauen miteinander verschmelzen und sich Grenzen zwischen ihnen und mir auflösen. Dann kann ich wieder zuschauen, wie Geschichten entstehen, wie Vergangenheit Gegenwart neu erzählt. Dann versinke ich in schönen Sätzen, tauche ein in Bilder und Emotionen, die der Text in mir wachruft. So stört es mich nicht, dass die Geschichte Redundanzen enthält und eher mäandert, als stringent und spannend einem roten Faden folgt. Es ist eine UNIVERSELLE Geschichte von Mutterschaft, Selbstaufgabe, Liebe und Tod. Sie lässt uns die weibliche Kraft, die oft im Verborgenen gefangen bleiben musste, die Spuren der Vergangenheit, die die Vielen vor uns hinterlassen haben, den Strom der Zeit, in dem auch wir nur ein Element sind, spüren. Ich wünsche diesem beeindruckenden, sehr besonderen Werk viele LeserInnen. Vielen Dank an Doireann Ni Ghriofa für dieses wunderbare Stück Literatur, an die Übersetzer und an das Bloggerportal und den btb Verlag für das Rezensionsexemplar!

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