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Rezension zu
Gehe hin, stelle einen Wächter

Authentisch mit wunderbaren Charakteren

Von: Lesen ist
04.08.2015

Ich habe letzten November »To Kill a Mockingbird« gelesen, da war noch gar keine Rede von diesem Buch. Nach den ersten Kritiken wollte ich dieses Buch auch gar nicht lesen; ich liebe die Charaktere Scout, Jem und Atticus Finch, und nun hieß es, Atticus ist ein Rassist! Das wollte ich nicht lesen. Aber Nina @hauptsachebunt und dann auch Yvonne @thatyvo haben mich überzeugt. Ich bin froh darüber. Jean Louise, also Scout, lebt und arbeitet in New York. Jedes Jahr kommt sie im Sommer für zwei Wochen nach Hause. Sie ist jetzt 26 Jahre alt, ihr Vater Atticus ist schon 72 und hat rheumatoid Arthritis. Es gibt Tage, da kann er nicht einmal sein Besteck halten und doch arbeitet er immer noch. Jean Louise fährt aus diesem Grund mit dem Zug nach Maycomb, damit ihr Vater nicht um 3 Uhr morgens 100 Meilen fahren muss, um sie in Mobile abzuholen. Es ist Mitte der 50er Jahre. Henry Clinton, der Freund aus Kindestagen, hat Jus studiert und arbeitet jetzt für Atticus. Er liebt Jean Louise und möchte sie heiraten. Die Dialoge zwischen Jean Louise und Henry sind ein bisschen zu honigsüß seitens Henry, sogar wenn sie streiten nennt, er sie »Honey« oder »Süße«“. Am Tag nach ihrer Ankunft findet Jean Louise eine Broschüre zwischen den Büchern, die Atticus im Wohnzimmer liegen hat. Da steht »The Black Plague« (Die schwarze Plage). Ab diesem Zeitpunkt geht für Jean Louise eine Welt unter. Nicht nur, dass der Vater den sie vergöttert solche Broschüren liest, er ist auch im Vorstand des »Citizens Council«, eine Organisation, welche die Ideen einer weißen Vorherrschaft propagierte. Es macht sie physisch krank und sie muss sich übergeben. In den folgenden zwei Tagen redet und streitet sie mit ihrer Tante Alexandra, die bei Atticus wohnt, mit ihrem Onkel Jack, der in dieser Geschichte eine wichtigere Rolle spielt als Atticus selbst, und zum Schluss natürlich auch mit ihrem Vater. Sie denkt auch viel zurück, erinnert sich an Ereignisse aus ihrer Kindheit. Da erleben wir wieder diese wunderbaren Charaktere aus Mockingbird. Jean Louise hat mir unendlich leidgetan. Sie versteht die Welt nicht mehr. Alles, woran sie glaubt, wird an einem einzigen Tag zunichtegemacht. Woran soll sie noch glauben, wenn der Mensch, den sie verehrt und vertraut hat, sich plötzlich für etwas engagiert, das gegen alles ist, was er ihr beigebracht hat? Alles, was er ihr vorgelebt hat, praktisch in Minuten zerstört. Atticus und Jean Louise sind durch ein sehr starkes Band verbunden. Aber jetzt fühlt sie sich krank, verraten, ihre Welt zerbröselt und am liebsten möchte sie einfach weglaufen und nie wieder kommen. Diese Geschichte geht nur über einen Zeitraum von drei Tagen, aber diese Tage sind sehr erlebnisreich. Gleich auf den ersten Seiten wird man wieder in diese liebgewonnene Welt von »Scout« katapultiert, zurück nach Alabama. Aber gerade wegen der vielen Stimmen in den Medien, ist man innerlich darauf vorbereitet, dass ein wunderbarer Charakter zerstört wird. Wer hat Atticus nicht bewundert für seine Einstellung und seine Überzeugungen in einer Welt voll von rassistischen Menschen? Aber, Atticus hat Tom verteidigt, weil er unschuldig war, und nicht wegen seiner Hautfarbe. Ich als Leser habe ihn, wie Jean Louise auch, auf ein Podest gestellt und bewundert. Und ich muss sagen; ich respektiere ihn immer noch. Er ist menschlicher geworden und wenn man das, was er Jean Louise klar zu machen versucht, wirklich genau liest und versteht, erkennt man, dass er versucht das Richtige zu tun, in einem dem Süden angepassten Tempo. Er blickt weiter als seine Mitmenschen, sieht das größere Bild und weiß, dass seine Welt sich verändern wird. Manche Äußerungen sind natürlich rassistisch, das kann man nicht abstreiten. Aber er verfolgt ein bestimmtes Ziel in seinem Streitgespräch mit Jean Louise, das wird einem erst nachher bewusst! Er ist immer noch der Mann, der einen Unschuldigen verteidigen würde, egal welche Hautfarbe er hat. Die Geschichte reflektiert die Zeit, in der sie spielt, das darf man nicht aus den Augen verlieren. Es werden die Gefühle der lokalen Bevölkerung vermittelt, ihre Ablehnung oder Billigung der NAACP (Nationale Organisation für die Förderung farbiger Menschen), und Harper Lee ist damit aufgewachsen, was ihrer Geschichte Authentizität verleiht. Dadurch ist das Buch teilweise auch politisch, aber ich denke, dass dieses Buch die damalige Gesinnung in den Südstaaten sehr gut wiedergibt. Die Charaktere sind genauso wunderbar wie in Mockingbird, vor allem Onkel Jack ist eine einmalige Persönlichkeit. Es gibt so viele Stimmen, die diese eine Änderung in Atticus zum großen Thema machen aber, um was geht es wirklich in dieser Geschichte? Darum, dass Atticus ein Rassist geworden ist? Der Mann, der sagte: »Equal rights for all; special privileges for none«, ein Mann der einen unschuldigen Schwarzen verteidigt hat und jetzt in einer Organisation für die weiße Vorherrschaft mitmacht? Nein, darum geht es nicht. Nebenbei gesagt würde er immer noch gleiches Recht für alle fordern, im gleichen Kontext. Es geht um eine Tochter, die sich von ihrem Vater lösen muss, um eine eigenständige Person zu werden. Es geht um den inneren Kampf, den sie durchlebt, um erwachsen zu werden. Und es geht auch um Atticus und den Weg, den er beschreitet, um endlich die Nabelschnur zu durchtrennen. Manche professionellen Meinungen zum Buch sind vernichtend. Ich kann diese Meinungen nicht teilen. Das Buch ist meiner bescheidenen, subjektiven Meinung nach nicht so großartig wie Mockingbird, aber immer noch eine sehr bewegende und lesenswerte Geschichte in einer authentischen Umgebung mit wunderbaren, liebenswerten Charakteren. Man sollte versuchen es nicht als »Fortsetzung« zu lesen, weil es das nicht ist, sondern als eigenständige Geschichte.

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