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Rezension zu
Judenfetisch

Unbequem, aber sehr lesenswert!

Von: Lust_auf_literatur
23.10.2023

Schon länger verfolge ich das Schreiben von Deborah Feldman, auf die ich durch ihr außerordentliches autobiografisches Buch „Unorthodox“ aufmerksam wurde. Darin beschreibt sie ihr Aufwachsen in einer ultraorthodoxen, abgeschlossen jüdischen Gemeinschaft in Williamsburg, USA, und ihren Ausstieg aus dieser Gemeinschaft. In „Überbitten“ setzt sie sich nach ihrer Flucht sehr intensiv mit der Vergangenheit ihrer Familie und ihrer jüdischen Identität auseinander. Dabei legt Feldman eine Gabe zur tiefen Reflexion und Abstraktion an den Tag, die ich sehr bewundere. Und dennoch hat Feldman mit „Judenfetisch“ ein unbequemes Buch geschrieben, das mir und uns allen als Gesellschaft den Spiegel vorhält. In „Judenfetisch“ analysiert Feldman einige Sachverhalte sehr tief und untermauert ihre gesellschaftspolitischen Aussagen mit eigenen Erlebnissen, Gesprächen und Erfahrungen. Feldman äußert sich in „Judenfetisch“ sehr israelkritisch und warnt eindringlich vor einem neuen radikalen orthodoxen Fundamentalismus in Israel. “Hier in Israel geht es aber längst nicht mehr um diesen Pragmatismus, hier fördert man keine gegenseitige Toleranz zwischen den Frommen und ihrer politischen Herrschaft. Diese Fraktion der Gesellschaft ist in einen Heiligen Krieg mit der Welt um sie herum verfangen, sie ist auf Mission, diesen Staat von innen auszuhöhlen. So lautet ihr religiöser Auftrag.” Dieses schon länger andauernde Erstarken der rechten Strömungen in Israel wirft Feldmann einer gewissen Blindheit und Beißhemmung des Westens vor, allen voran Deutschland. “Niemand ist eine größere Hilfe der Fundamentalisten als der aufgeklärte, emanzipierte, gebildete Westler, der ihnen den roten Teppich auslegt, um aus lauter Romantik seine zukünftigen Unterdrücker zu bejubeln.” Der Buchtitel „Judenfetisch“ bezieht sich eben auf dieses gestörte Verhältnis der Deutschen gegenüber Israel, dem Holocaust oder allem was in irgendeiner Weise als Jüdisch etikettiertet ist. „Nur in Deutschland gilt, anderes irgendwo im Ausland: “Dieses Israel ist kein Land als Fläche oder Gesellschaft, es ist Israel als Fata Morgana: es darf nicht näher betrachtet werden.” Ein ganzes Land als einzigartige Projektionsfläche für die deutsche Gesellschaft? Feldman selbst fühlt sich oft als Alibijüdin und sieht sich unter einem überdimensionalen Erwartungsdruck der deutschen Öffentlichkeit, sich zum Thema jüdischen Identität oder Antisemitismus zu äußern. Jüdisch sein als Begrenzung, als Zuschreibung und als Projektion, hinter dem der eigentliche Mensch verschwindet. Ich hatte erst gezögert, diese Rezension zu veröffentlichen, aus Angst mich falsch auszudrücken und Missverständnisse zu provozieren. Doch nachdem ich Deborah Feldmann so dezidiert und klar auf der Buchmesse sprechen hörte, will ich nicht mehr ausweichen. Ihre Worte und ihr Roman ermutigten mich, mich mit meinem eigenen Judenfetisch zu beschäftigen, der zweifellos vorhanden ist, was meine Vorliebe für Romane, die sich mit dem (oft chassidischen) Judentum beschäftigen, beweist. In „Judenfetisch“ finde ich interessante Beobachtungen, Gedankengänge und Erfahrungen zu Themen, mit denen ich mich als wenig informierte Atheist*in sonst recht wenig auseinandersetzte, die mich aber interessieren und die ich für wichtig und gesellschaftlich relevant halte. Ich würde sagen, einige Vorkenntnisse sind für die Lektüre des Buches von Vorteil, aber nicht unbedingt erforderlich, wenn mensch bereit ist, sich tiefer mit der Materie auseinanderzusetzen.

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