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Rezension zu
Sarggeschichten

Das Unvermeidliche in klaren Worten

Von: Thomas Lawall
12.02.2024

Sich mit dem Unvermeidlichen auseinanderzusetzen gehört nicht gerade zu den gewohnten Tagesordnungspunkten des Alltags. Warum eigentlich, fragt man sich spätestens nach der Lektüre dieses Buches. Schließlich endet jedes Leben mit dem Tod. Die Wege zu einem Verständnis, das Sterben in seiner ganzen Konsequenz zu "begreifen", werden uns in der Erziehung nur ungenau oder gar nicht beigebracht. Die beiden Autorinnen ändern diesen Mangel auf eine ebenso unkonventionelle wie nachhaltige Weise. Dass die Lektüre dieses Buches nicht immer erfreulich sein würde, war klar. Nicht selten wird man an die eigenen Verluste erinnert, oder geschilderte "Sarggeschichten" erschüttern zutiefst. Aber dass die gegebene Thematik derart offen, unkompliziert und stets würdevoll behandelt wird, öffnet unerwartet neue Horizonte. Dies beginnt bereits bei der Wortwahl. Beispielsweise wird der Begriff "Angehörige" durch "Zugehörige" ersetzt. Neben den in gerader Linie Verwandten sollen auch Menschen angesprochen werden, die "ohne rechtlichen Rahmen" mit den Verstorbenen verbunden waren. Normalerweise wird bei einem Todesfall ein örtliches Bestattungsunternehmen beauftragt, welches meist sämtliche Aufgaben übernimmt. Sarah Benz und Katrin Trommler haben hier nicht wenige Einwände und zeigen ganz genau auf, was Zugehörige an Aufgaben selbst erledigen und gestalten können und dürfen. Hier betreten Leserinnen und Leser mitunter Neuland, denn wem ist schon bekannt, dass man Verstorbene, je nach Gesetzeslage der Länder, ein bis zwei Tage, in Bayern sogar ohne Frist, zu Hause behalten kann. Nicht jede/r wird in der Lage sein, nahestehende Verwandte nach deren Tod zu waschen und neu einzukleiden, weshalb es sich auch bei der ganzen Vielzahl der vorgestellten Gestaltungsmöglichkeiten für Trauerfeiern oder dem Abschiednehmen ganz allgemein stets um Vorschläge handelt. Auf einen erhobenen Zeigefinger verzichten die Autorinnen völlig. Die freie Entscheidung steht immer im Vordergrund, wobei sich Dinge, nach entsprechender Bedenkzeit und professioneller Begleitung, auch auf wundersame Weise entwickeln und ändern können. Auf die eine oder andere emotionale Breitseite darf man sich einstellen, insbesondere wenn es um beschriebene Einzelschicksale geht, auch was eigene Verluste der Autorinnen betrifft. Traurig genug, wenn die Eltern sterben, aber wenn Bruder oder Tochter sterben, sind das wieder ganz andere Dimensionen. Wer nach Antworten sucht, wie so etwas zu bewältigen ist, findet hier Antworten. "Der Tod meiner Tochter gehört zu meinem Leben, und ich würde mir mehr Normalität im Gespräch darüber wünschen." "Sarggeschichten" ist ein Buch gegen die Verdrängung eines Themas, das jede/n von uns betrifft. Nach der Lektüre freut man sich nicht unbedingt auf das, was da kommen möge, aber der Blick wird klarer und die Angst kleiner. Auslöschen kann man sie nicht, aber alles was wir tun können, ist die freie Gestaltung eines würdevollen und "selbstbestimmten" Abschieds. Herzerfrischend sachlich, auch wenn es manchmal an die Substanz geht. Sanfte aber glasklare Heranführung an eine Thematik, die alle Menschen betrifft, aber gerne verdrängt wird. Das immerwährende, unangenehme Hintergrundrauschen steht jetzt in vollem Sonnenlicht. Voller Sensibilität, Empathie, Respekt und Wertschätzung. Alle Achtung.

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