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Rezension zu
Die Frauen der Familie Carbonaro

Für mich einfach genial und ergreifend

Von: siralexfelixson
05.04.2024

"Was führt zu was? Das Leben ist ein Ozean aus Möglichkeiten, aber wir kämpfen an der Oberfläche gegen das Ertrinken an. Alle erwarten wir, dass das Glück uns findet, aber keiner will den Preis bezahlen. Es gibt Armut und Gewalt, Liebe und Trost, und alles vergeht. Zwischendurch müssen wir an Abgründe treten. Der eine will nur kurz erschaudern, um sich danach besser zu fühlen, ein anderer muss springen und sich im Fallen Flügel bauen." Mario Giordano liefert uns mit "Die Frauen der Familie Carbonaro" eine Geschichte, die sich nach "Terra di Sicilia" mit der anderen Hälfte der Cabonaro-Familie beschäftigt. Denen, die zwar nicht die Hosen anhaben, die aber alles zusammenhalten. "Männer verbringen ihr ganzes Leben damit, zu hadern, wer sie sind. Sie bekämpfen Windmühlen und halten sich für Ritter. Wir Frauen sind die Sancho Panzas dieser Welt. Die den Laden am Laufen halten und das Gleichgewicht herstellen, immer und immer wieder." Drei Frauen erwarten den Erzähler im salotto des alten Hauses irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft. Es ist staubig überall, träges sizilianisches Nachmittagslicht fällt durch die Vorhänge und lässt die Staubflocken ihren Tanz aufführen. Dämpft alles ab, füllt den Raum mit Stille und Erinnerungen, lässt alte Geister aufleben. Da sitzen sie: Pina, Anna und Maria. Drei Generationen der Carbonaro-Frauen. Pina, Matriarchin der Familie, Tochter des Mafiosi Dottore Pasalacqua, allein dadurch teils gefürchtet und geachtet. Doch Pina hat viel Leid zu ertragen und gerade sie, entstammt noch einer Generation, in der Frauen einfach nichts waren. Sie durften benutzt werden, wurden oft wie Dreck behandelt, geschlagen und vergewaltigt. Hatten ihren Vätern und Männern zu gehorchen, auf ihre Ehre zu achten, den Mund zu halten und gefälligst unsichtbar zu bleiben. Pinas Geschichte hat mich von allen am meisten berührt - vielleicht, weil sie es zeit ihres Lebens am schwersten hatte. Die zweite der Carbonaro-Frauen ist Anna, die Pinas Sohn Nino heiratete. Anna, die wunderschön singen konnte und die die patruneddi etwas ferner hielt. Anna, die ihre Träume begraben musste, ihren Mann jedoch das Versprechen abrang, dass ihre Töchter eines Tages alles werden dürften. Anna, die ihre Heimat verließ, um ihren Mann nach Deutschland zu begleiten. Und zu guter Letzt haben wir noch Maria Carbonaro, das älteste Kind von Nino und Anna. Ihre Wünsche sind ganz andere: Sie will Hosen tragen wie die Männer und ins Geschäft ihres nonno einsteigen. Doch alles was zu hören bekommt ist: "Das ist nichts für Frauen! Eh basta!" Und so erzählen diese drei Frauen von ihrem Leben, ihren Ängsten, Sorgen und ihren Kämpfen. Kämpfe mit ihrem Land, der Gesellschaft, den Kindern und vor allem mit ihren Männern. Die Geschichte des Buches zeigt uns, dass das Leben als Sizilianerin niemals einfach ist. Es zeigt uns aber auch, dass das auch für die Männer gilt - nur in einem anderen Rahmen. "Mein Leben war vorgezeichnet von Männern, die ihr ganzes Leben einer Idee vom Glück weihten und es dabei doch übersahen. Was ist los mit den Männern, dass sie das Glück beharrlich zu Tode hetzen müssen, ohne einen einzigen Blick zur Seite?" Oh, bella Sicilia! Oh dolce dolore del desiderio! Oh, mia Sicilia, ho perso il mio cuore per te. Dieses Buch hat, wie zuvor schon "Terra di Sicilia", viel mit mir gemacht. Es hat mich tief berührt, ob der Schicksale der Menschen, aber auch wegen all der Erinnerungen, die mich beim Lesen durchfluteten. Sizilien ist mein Sehnsuchtsort, der Fleck auf dieser Welt, wo mich beim allerersten Betreten ein berauschendes und tief ins Herz schneidendes "Ich bin zu Hause"-Gefühl durchfloss. Die Geschichte spielt in der Gegend, die ich auch gut kenne, sogar der Bellini-Park und die Pasticceria Savia in der Via Etnea in Catania finden hier Erwähnung. Aber der Roman hat mich nicht nur deswegen so begeistert. Es werden viele Zeilen aus alten sizilianischen Volksliedern erwähnt, die vom tiefgehenden Schmerz des Landes und des Volkes erzählen, oft auch von der Sinnlosigkeit des Lebens und der elenden Plackerei der kleinen carusi, aber auch von der tiefen all umfassenden Liebe zum diesem wunderschönen Land. Auch mag ich es sehr, wenn Autoren die Sprache bei einigen Wörtern mit einfließen lassen. Überhaupt hat Mario Giordano einen sehr schönen, sehr bildlichen Schreibstil und wie er die Frauen ihre Geschichten erzählen lässt, klingt das absolut authentisch. Beim Lesen hatte ich wirklich das Gefühl, dass mir die Frauen ihre Geschichten erzählen und nicht der Autor. "Meine Erinnerung war ein Firmament, von dem nach und nach die Sterne erloschen. Sternbilder lösten sich auf und machten es mir zunehmend schwerer, über mein tägliches Meer zu navigieren."

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