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Rezension zu
Scherbenseele

Erschütternder und beklemmender Krimi voller menschlicher Abgründe

Von: Büchermonster
11.09.2015

Mit ihrer Victoria-Bergman-Trilogie sorgten die beiden schwedischen Autoren Jerker Eriksson und Håkan Axlander Sundquist von 2010 bis 2012 unter dem gemeinsamen Pseudonym „Erik Axl Sund“ in ihrer Heimat für Aufsehen, bis die drei Bücher „Krähenmädchen“, „Narbenkind“ und „Schattenschrei“ im vergangenen Jahr auch auf dem deutschen Buchmarkt zu einem Sensationserfolg wurden und von der Presse geradezu euphorisch gefeiert wurden. Mich persönlich konnte die sehr schwerfällige und eher wirre Geschichte zwar nicht überzeugen, trotzdem habe ich mit Spannung dem neuen Werk des Autorenduos entgegengefiebert: „Scherbenseele“ ist zwar keine direkte Fortsetzung der Reihe sondern der Beginn einer neuen Trilogie, die sich aber mit den Victoria-Bergman-Büchern nicht nur das Setting, sondern teilweise auch die Figuren teilt. Hauptdarsteller des als „Psychothriller“ vermarkteten Romans ist nämlich Kommissar Jens Hurtig, den man aus den inoffiziellen Vorgängern bereits als Kollege der damaligen Protagonistin Jeanette Kihlberg kennt. Diese hat durch die dramatischen Ermittlungen einen Burn-out erlitten und befindet sich zum Zeitpunkt der Geschichte in einer mehrmonatigen Auszeit vom Dienst, sodass Hurtig ein wenig unfreiwillig in der Hierarchie der Stockholmer Polizei aufgestiegen ist und nun als leitender Beamter eine Reihe von rätselhaften Selbstmorden in Schwedens Hauptstadt untersuchen muss. Nicht nur aufgrund der tragischen Todesfälle wird schnell klar, dass auch „Scherbenseele“ gewissermaßen in die Fußstapfen der Victoria-Bergman-Reihe tritt und erneut alles andere als leichte oder gar heitere Krimi-Kost bietet – es kommt nicht von ungefähr, dass die auf dem deutschen Buchmarkt als „Kronoberg-Trilogie“ vermarktete neue Serie im Original unter dem deprimierenden Titel „Melancholie-Trilogie“ läuft. Auch wenn man eine gewisse Schwermütigkeit von skandinavischen Kriminalromanen gewohnt ist, so ist das neueste Werk von Erik Axl Sund in dieser Hinsicht doch nochmal eine Nummer intensiver. Die beiden Autoren ziehen ihre Geschichte wieder anhand von mehreren Charakteren und Perspektiven auf und fast alle davon haben eines gemeinsam: Sie sind entweder selbst ihres Lebens müde oder auf indirekte Weise von Depression und Selbstzerstörung betroffen, zumeist durch einen nahen Angehörigen wie im Fall von Protagonist Jens Hurtig, dessen Schwester sich selbst vor vielen Jahren das Leben nahm. Allerdings birgt diese auf viele Erzählstränge verteilte Handlung auch wieder die gleichen Tücken wie bei der Victoria-Bergman-Trilogie: Die in der Regel sehr kurzen und von Figur zu Figur springenden Kapitel machen es nicht immer einfach, im Konstrukt der Charaktere den Überblick zu behalten, sodass ich sehr froh war, mich bewusst für die Printausgabe und gegen das Hörbuch entschieden zu haben – das macht das Folgen der Handlung zumindest für mich deutlich einfacher. Auch wenn die Story eine Weile braucht um richtig Fahrt aufzunehmen, so ist die beklemmende Atmosphäre dieses Romans praktisch ab der ersten Seite voll präsent: Die vielen tragischen Schicksale und vor allem die Aussichtslosigkeit der Jugendlichen sind erschütternd und auch die im Buch skizzierte Untergrund-Szene mit heimlichen Konzerten in düsteren Locations mit verwesenden Fleischabfällen und von Drogen benebelten und sich ritzenden Teenagern als Kulisse sorgt für ein permanentes Gefühl des Unwohlseins bei der Lektüre. Bei all den kaputten Existenzen in dieser Geschichte wirkt die Hauptfigur Jens Hurtig allerdings fast ein wenig langweilig und farblos, führt die Leser aber dennoch als insgesamt solider Begleiter durch die Handlung. Diese zeigt vor allem im Schlussdrittel ihre wahre Stärke, wenn die beiden Autoren die einzelnen Fäden mehr und mehr zusammenführen und das wahre Ausmaß der menschlichen Abgründe offenbar wird. Zudem hält die dramatische Auflösung der Story noch einen echten Tiefschlag bereit, der auch nach der letzten Seite noch ein wenig nachhallen dürfte. Im Gegensatz zur Victoria-Bergman-Trilogie ist dieser Roman übrigens in sich abgeschlossen, was nicht nur der Geschichte durch die größere Straffung zugute kommt, sondern auch Neueinsteigern die Tür öffnet, denn Vorkenntnisse sind hier wirklich nicht erforderlich. Und auch wenn die Handschrift von Erik Axl Sund nach wie vor unverkennbar ist, so weiß „Scherbenseele“ meiner Meinung nach deutlich mehr zu überzeugen als die ersten drei Bücher des Autorenduos – wer also bei der Victoria-Bergman-Reihe entnervt das Handtuch geworfen hat, sollte den beiden Autoren vielleicht doch nochmal eine Chance geben.

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