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Rezension zu
Finderlohn

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Wenn die Liebe zur Literatur zur Besessenheit wird

Von: chrissieskleinewelt
13.09.2015

ACHTUNG! Es folgt eine Besprechung zu einem Buch, das den zweiten Teil einer Reihe darstellt. Spoiler zu Band 1 “Mr. Mercedes” sind daher durchaus möglich und jedwedes Weiterlesen erfolgt auf eigene Gefahr. “Finderlohn” ist der zweite Teil der Trilogie rund um den alten Detective Bill Hodges, der bis auf wenige Anspielungen auf den kommenden dritten Teil auch gute ohne diesen hätte auskommen können. Vielmehr scheint King mit dem Einbeziehen Hodges und der alten Crew aus Mr. Mercedes eine Brücke zwischen Band 1 und 3 zu weben, die eigentliche Geschichte wird von ihnen aber mehr tangiert als wirklich beeinflusst. So tritt der Ermittler im Ruhestand auch erst nach knapp 200 Seiten das erste Mal auf. Erzählt wird die Geschichte von Morris Bellamy und Peter Saubers, von der Liebe zur Literatur und wie sich diese pervertieren lässt. Zwei Protagonisten werden eingeführt, die unterschiedlicher und doch erschreckend ähnlicher nicht sein können. Morris Bellamy hat zu Beginn schon einiges auf dem Kerbholz und seinen ersten Knastaufenthalt hinter sich. Bellamy ist zudem sehr intelligent und verehrt John Rothstein, einen Bestsellerautor, der eine Trilogie um den Protagonisten Jimmy Gold erschaffen hat. Für Morrie ist Jimmy Gold ein Held und er ist gar nicht damit zufrieden, wie Rothstein im letzten Band mit diesem umgesprungen ist. Zusammen mit zwei Komplizen dringt er in das Haus des Autors ein, raubt dessen Geldbestände und – für ihn wichtiger – dutzende vollgeschriebene Notizbücher, die der alte Mann in den Jahren seit seinem Rückzug aus der Schriftstellerei beschrieben hat. Aus Rache für das, was Rothstein Gold angetan hat bringt Bellamy den Autor um und flieht Ende der siebziger Jahre zurück in seine Heimat. Aus Angst vor Entdeckung vergräbt er seine Beute und wird kurz darauf für ein anderes Vergehen zu lebenslanger Haft verurteilt. In den 2010er Jahren entdeckt dann ein Junge namens Peter Saubers zufällig einen vergrabenen Koffer, der einen beachtlichen Geldbetrag und etliche Notizbücher enthält. Die Familie des Jungen steht kurz vor dem Bruch, er und seine Schwester leiden unter der kriselnden Ehe der Eltern, die vor der Armut stehen. Zudem kann sein Vater das Attentat des Mercedes-Killers nicht verkraften, dem auch er zu Opfer gefallen ist und wegen dem er seine Arbeitskraft eingebüßt hat. Der Geldsegen erscheint dem Jungen gerade recht und so lässt er seiner Familie heimlich und anonym monatliche Beträge zukommen, um ihr über die schlimme Zeit hinwegzuhelfen. Vier Jahre später wird dann ein Mann aus der Haft auf Bewährung entlassen, der weniger an dem Geld als vielmehr an den Notizbüchern interessiert ist, die sich nun in Peters Besitz befinden und der mittlerweile um den Ursprung der Schriften weiß und den Autor Rothstein ebenso verehrt wie der Killer. Bellamy will die Bücher zurück und ist dafür bereit über Leichen zu gehen. Stephen King hat einen unvergleichlichen Erzählstil, der mich immer wieder gefangen nimmt. Liest man seine Bücher, so ziehen die Zeilen einen direkt in eine Geschichte hinein, die bald darauf sehr plastisch wird und mit real wirkenden Charakteren bestückt ist. Wie schon so oft schafft er dies auch wieder in “Finderlohn”, indem er seinen Blick auf die Gesellschaft detailgetreu wiedergibt und so scheinbar keine fiktiven Personen erschafft, sondern solche, die einem durchaus auch im Supermarkt begegnen könnten. Ob man dies bei manchen Gesellen auch möchte ist eine andere Frage. Seine teilweise ausschweifende Art gefällt nicht jedem, doch erliegt man dem Erzähler, so erscheint die erschaffene Welt noch realer, man wandelt fast selbstständig durch sie hindurch und begegnet dann bald wie durch Zufall der eigentlichen Geschichte, die erzählt werden soll. Für mich erstaunlich muss ich bei diesem Buch doch das erste Mal anmerken, dass sich weite Strecken etwas ziehen. Bereits zu Beginn des Buches ist klar, worauf diese Story hinaus möchte. Auf dieses Ereignis dümpelt man zu, lernt die Charaktere näher kennen und erlebt Dinge aus deren Leben. Leider passieren dabei aber kaum bemerkenswerte Dinge, die der Geschichte eine manchmal fehlende Würze verliehen hätten. Keine Frage, der Erzählstil und die Charaktere sind grandios, aber es fehlt eben das Tüpfelchen auf dem i, das gewisse Etwas, das Gewürz an einem ansonsten einwandfreien Gericht, dass die Spannung aufrecht erhält. Daher habe ich das erste Mal bei einem Kingbuch bei mir selbst bemerkt, dass ich mir endlich eine Wendung gewünscht und herbeigesehnt habe. Als das besagte Ereignis dann endlich eintritt, auf das man viele Seite hingearbeitet hat, nimmt die Geschichte sehr an Fahrt auf und endet dann in einem wirklich guten, beängstigendem Finale, dass die Frage aufwirft, wie weit Fantum gehen darf und was Besessenheit anrichten kann. Wie ich Eingangs bereits erwähnte spielt Hodges selbst für mich in diesem Mittelteil einer Trilogie eine untergeordnete Rolle. Dennoch gibt es zwei Szenen, die bei mir und wohl auch bei vielen anderen Lesern ein diabolisches Grinsen auf das Gesicht gezaubert hat und einen die Warterei auf den dritten und abschließenden Band der Reihe schier unerträglich macht. “Finderlohn” mit seinem mehr als passenden Titel ist eine Mischung aus zwei Lebensgeschichten und etwas Krimi, grandios erzählt und mit sehr menschlichen Charakteren bestückt, der es aber leider ab und an etwas an Spannung mangelt. King behandelt ein Thema, welches ihm selbst Angst bereitet: Die Liebe zur Literatur und was sie aus einem macht, wenn man den schmalen Grad zur Besessenheit überschreitet und vergisst, dass zwischen zwei Buchdeckeln im fiktiven Bereich keine wirklichen Menschen warten, sondern eben nur eine Geschichte – so gut sie auch sein mag.

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