Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Racheherbst

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Der Duft der Vergänglichkeit

Von: WolfgangB
24.09.2015

Wie im Erzählstereotyp vom Schüler, der den Meister übertrumpft, von der Kreatur, die sich über ihren Schöpfer erhebt, wird Andreas Gruber zum Opfer einer seiner Romanfiguren. Mit dem kiffenden, misanthropischen Verhaltensanalytiker Maarten S. Sneijder hat er sich einen Geist gerufen, den er nicht mehr loszuwerden imstande ist. Von all den genialen, sympathischen, aber auch traumatisierten Ermittlern, die derzeit zwischen den Buchdeckeln literarische Serienmörder zur Strecke bringen, handelt es sich um eine der originelleren Persönlichkeiten, der Gruber zu einem Teil seinen Erfolg im deutschen Sprachraum verdankt. Seine bisherigen Auftritte absolvierte Sneijder in "Todesfrist" und dem Nachfolger "Todesurteil". Ungeachtet des Erfolgs entschließt sich Andreas Gruber jedoch, eine Fortsetzung seines 2011 erschienenen Titels "Rachesommer" zu erzählen und prallt damit auf die Erwartungen seiner Leser. Ohne besagten Publikationskontext wäre "Racheherbst" ein sensationell kurzweiliger Koffeinersatz, so jedoch müssen sich alle Figuren den Vergleich mit Maarten S. Sneijder gefallen lassen - und daran scheitern. Walter Pulaski, Beamter im Kriminaldauerdienst Leipzig, auf dessen Schultern diese Last am schwersten wiegt, wird als ein liebenswerter Griesgram geschildert, blauäugig-naiv im Umgang mit der Mutter eines Mordopfers, schlitzohrig-schlau gegenüber Tatverdächtigen und uniformierten Kollegen. Zudem aus Leipzig stammend, erinnert er auffällig an den Titelhelden der TV-Krimiserie "Stubbe - von Fall zu Fall." Als eine der tragenden Figuren des Romans verbleibt dieser sächsische Columbo jedoch zu durchschnittlich, kann seine Stärken zu wenig ausspielen. Gegenüber seinem ersten Auftritt in "Rachesommer" hat Pulaski an Farbe verloren. Ähnlich ergeht es seiner an einem ganz anderen Schauplatz agierenden Partnerin Evelyn Meyers, auch sie wirkt im Vergleich zu ihrem ersten Treffen mit dem Leipziger weniger spritzig. Immerhin setzt der Autor weiterhin auf jene Handlungselemente, die mittlerweile zu seinem Markenzeichen geworden sind. Den Ausgangspunkt seiner Thriller bildet jeweils eine Reihe ebenso grausamer wie bizarrer Ritualmorde, und auch in "Racheherbst" ist der Leser hin- und hergerissen zwischen Staunen ob der Kreativität des Autors und Schaudern ob der Brutalität des Täters. Letztere wird jedoch durch knochentrochenen Humor wieder relativiert, wodurch beruhigenderweise die Fiktionalität der Geschichte betont wird. So antwortet etwa Evelyn Meyers auf die Frage "Sind Sie wirklich Anwältin?" mit einem sarkastischen "Nein, Schuhverkäuferin." Weiters setzt Gruber auf zwei parallel verlaufende Handlungsstränge, die einander zunächst gar nicht berühren. Im Wissen, daß der Erzähllogik folgend, diese beiden lediglich unterschiedliche Aspekte desselben aufzuklärenden Falles repräsentieren, wird die Neugier des Lesers geweckt. Diese wird sodann ins Unermeßliche gesteigert, indem die harmonische Vermählung bis zum Finale hinausgezögert wird. Als Trauzeugen fungieren dabei - auch das ist ein Markenzeichen Grubers - ein Protagonistenteam aus Deutschland und eines aus Österreich. Während nun in "Racheherbst" die beiden Handlungsstränge sich gleichgetaktet nebeneinander entwickeln, tritt in der Motivik der Hauptfiguren eine Spiegelung auf: Sowohl für Pulaski, als auch für Meyers wird die Geschichte durch die Beschäftigung mit einer Klientin, respektive einem Klienten vorangetrieben, in beiden Fällen wird diese so persönlich, daß gegen das jeweilige Berufsethos verstoßen wird. Während die Motive von Pulaskis Begeleitfigur, der Mutter eines Mordopfers, jedoch aufrichtig sind (sie will ihre zweite Tochter aus den Fängern des Mörders befreien), trägt sich der Schönheitschirurg Dr. Konstantin mit unredlichen Absichten. In der erwähnten Spiegelung stehen einander somit selbstloses und selbstsüchtiges Handeln gegenüber. So harmonisch die einzelnen Handlungselemente letztendlich auch miteinander verwoben und behutsam mit Symbolik verziert sind, irritiert doch der Titel des Romans. Zweifellos ist dem Verlag daran gelegen, die Verbindung zum Vorgängerband herzustellen. Wo das Motiv der Vergeltung in "Rachesommer" jedoch handlungsbestimmend war, kann es hier nur mit viel Phantasie entdeckt werden. Der Titel wirkt somit nicht nur identitätsstiftend für die Reihe, sondern auch verwirrend. Fazit Obwohl bei "Racheherbst" nicht Maarten S. Sneijder die Ermittlungen führt, vermag der Roman mit routiniertem Spannungsaufbau und origineller Handlung zu fesseln. Könnte man Autoren auf entgangenen Schlaf verklagen, hätte Andreas Gruber eine gute Rechtsschutzversicherung bitter nötig.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.