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Rezension zu
Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Leider zu wenig eigene Identität

Von: Buntes Tintenfässchen
18.05.2016

Geschichte und Erzählstil: Die Ausgangssituation in Mörder Anders (ich kürze den Titel ab jetzt ab) unterscheidet sich im Wesentlichen kaum von denen in Jonassons anderen Romanen: Kurz und konzentriert erfährt der Leser bzw. Hörer etwas über die Vergangenheit der Hauptperson und über die der anderen handelnden Figuren (in diesem Fall sind das der Rezeptionist Per Persson und die Pfarrerin Johanna), die bei allen dreien alles andere als rosig war. Aus der Not heraus entsteht eher zufällig eine Art Geschäftsbeziehung zwischen Mörder Anders, Per Persson und Johanna und die skurrile Handlung verselbstständigt sich. Wieder einmal lassen einen die in sich schon widersprüchlichen Figuren Mörder Anders, der mit dem Töten abgeschlossen hat und auf mich eher weniger gefährlich wirkt, und die atheistische Pfarrerin, die mit Bibelzitaten nur so um sich wirft, aber an keines davon glaubt, wiederholt schmunzeln. Auch die gewohnt abstruse Situation, das Körperverletzungs-Gewerbe und Mörder Anders' daraus resultierendes und auch eher zufälliges Bekenntnis zum Christentum, haben Potenzial. So originell und außergewöhnlich wie zum Beispiel der Plot von Die Analphabetin, die rechnen konnte präsentiert sich die Handlung von Jonassons neuestem Roman allerdings nicht mehr. Ich zumindest hatte schon nach kurzer Zeit das Gefühl, das alles schon mal gelesen bzw. gehört zu haben und konnte mich wenig für die meiner Meinung nach eher fade und zu abwegige Story begeistern. Natürlich sind Absurdität und Übertreibung die Markenzeichen von Jonas Jonasson, aber bei Buch Nummer 3 ist bei mir nun einfach die Luft raus. Charaktere, die sich in ihrer Extravaganz stark ähneln, das gleiche Schema und ähnliche Dialoge - überraschen konnte mich Mörder Anders leider kaum. So gibt es auch hier wieder eine chaotische Flucht, bei der unerklärlicherweise aber immer alles gut geht, und skrupellose Feinde, die den Protagonisten hinterherjagen und ihnen nach dem Leben trachten, was mich stark an Alans Koffer-Klau und Nombekos Irrfahrt mit Atombombe quer durch Schweden erinnerte. Ich hatte einfach immer wieder das Gefühl, die Geschichte schon zu kennen, und eigentlich erwartet, dass Jonasson sich langsam einmal etwas Neues einfallen lässt. Zwar geht es in Mörder Anders um verschiedene, ziemlich abstruse Gewerbe, die die Pfarrerin, der Mörder und der Rezeptionist aufnehmen, um ein Vermögen zu machen - was eine neue Situation ist -, aber so richtig packen konnte mich das Ganze trotzdem nicht. Auch in Bezug auf die Charaktere habe ich eher zwiespältige Gefühle. Am besten gelungen ist meiner Meinung nach Ex-Pfarrerin Johanna, die nicht nur überzeugter Atheist, sondern ach klug, selbstbewusst, gerissen und nicht darum verlegen ist, Gottes Wort zu ihren Gunsten auszulegen. Sie will einzig und allein profitieren, wirkt aber trotzdem nicht unsympathisch, sondern vielmehr interessant. Sie ist eine skurrile und gewitzte Persönlichkeit, die Dynamik und Spannung in die Handlung bringt. Anders verhält es sich mit dem Rezeptionisten, der bald schon zwangsläufig zu Johannas Geliebtem wird. Per Persson trägt einen eigentümlichen, eingängigen Namen (sicherlich eine Referenz auf Jonas Jonassons eigenen Namen), ansonsten ist er aber weder außergewöhnlich noch besonders. Für mich ist Per Persson einfach nur ein kleinlautes Jüngelchen, das im Windschatten der Pfarrerin mitläuft, kaum jemals eine eigene Meinung oder was zu sagen hat und auch nicht viel zur Geschichte beiträgt. Wenn ich ihn nicht gerade vergessen hatte, dann hat er mich schlicht und ergreifend genervt. Und dann wäre dann noch die Hauptperson, die eigentlich gar keine Hauptperson ist: Mörder Anders. Kein Wunder, dass er wegen Mordes im Gefängnis saß - besonders schlau und gerissen ist der ehemalige Kriminelle nämlich nicht gerade. Viel eher selten dämlich von vorne bis hinten und deswegen auch die perfekte Marionette. Er lässt sich von Johanna und ihrem Handlanger Per gnadenlos ausnutzen und schnallt eigentlich selten irgendwas. Seine Naivität, Arglosigkeit und seine (wie man später feststellt) Großherzigkeit stehen im krassen Gegensatz zu dem Bild, das man sich von jemandem macht, wenn er "Mörder Anders" genannt wird und lange Zeit im Gefängnis gesessen hat. Das ist für mich wiederum ein recht interessanter Aspekt und am Ende konnte ich Mörder Anders immerhin um einiges besser leiden als zu Beginn der Geschichte. Eines zeigen Jonassons Roman und die Leichtigkeit, mit der es dem Dreiergespann immer wieder aufs Neue gelingt, die Menschen hinters Licht zu führen und auszunehmen wie Weihnachtsgänse, allerdings: In unserer Gesellschaft wird zu wenig hinterfragt und viel zu sehr und viel zu oft mitgelaufen, ohne selbst nachzudenken. Eine Pointe, die ich so absolut teilen kann und die für mich die Handlung im Nachhinein noch einmal aufwertet. Sprecher: Gelesen wird Mörder Anders von Jürgen von der Lippe, einem Entertainer und Komiker, der mit Sicherheit einigen von euch ein Begriff ist. Prinzipiell mochte ich seine Art der Interpretation, denn seine schrullige und leicht verschrobene Stimme passt perfekt zur Geschichte und zu den sehr speziellen Charakteren. Über die verschiedenen Dialekte, in denen Jürgen von der Lippe die Figuren sprechen lässt, kann man sich sicherlich streiten, für mich ist es aber eine originelle Idee, um den unterschiedlichen Charakteren Leben einzuhauchen. Gestört hat es mich lediglich, dass er bestimmte Personen (insbesondere Mörder Anders) manchmal einen Ticken zu dümmlich und unzurechnungsfähig klingen lässt. Vielleicht rührt daher auch mein eher negativer Eindruck von Mörder Anders, der einfach von Anfang bis Ende klang wie ein geisteskranker Tattergreis. Mein Fazit: Mit Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind bleibt Jonas Jonasson seinem Stil absolut treu - vielleicht ein wenig zu treu, denn beeindrucken, begeistern und überraschen konnten mich weder die Geschichte noch die Charaktere. Jonassons Ideen sind zwar noch immer originell und einzigartig, aber eben genauso originell und einzigartig, wie es schon seine ersten beiden Romane waren und ich hatte immer wieder das Gefühl, das alles schon einmal gelesen bzw. gehört zu haben. Ich hatte mir einfach etwas ganz Neues, etwas Innovatives und Überraschendes gewünscht. Da konnte leider auch Jürgen von der Lippe nichts daran ändern, dass ich ein ums andere Mal aus Desinteresse den Faden verlor und mich die eher fade Handlung wenig packen konnte. Gelungen ist hingegen die geschickt verpackte Gesellschaftskritik und deswegen gibt es von mir auch ein Pünktchen mehr als ursprünglich vorgehabt:

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