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Rezension zu
Die Geschichte der Bienen

Mehr als Honig

Von: Constanze Matthes
23.04.2017

Laut Albert Einstein bleiben der gesamten Menschheit nur noch vier Jahre Lebenszeit, nachdem die letzte Biene gestorben ist. Ein bekanntes Zitat, das sowohl die Bedeutung dieser Insekten beschreibt als auch eine Bedrohung vor Augen führt. Doch leider gibt es noch immer Menschen, die womöglich aus Unkenntnis heraus die Rolle der Biene auf die Produktion von Honig reduzieren, statt gerade ihre Bestäubungsleistung zu betrachten, mit der sie zu den wichtigsten Nutztieren der Welt zählt. Schon seit einigen Jahren wird vor einem Bienen-Sterben gewarnt – weil Imker von einem Tag auf den nächsten ganze Völker verlieren, weil sich allgemein die Zahl der Insekten Jahr für Jahr reduziert. Zu den warnenden Stimmen zählt auch die norwegische Autorin Maja Lunde, die mit ihrem Roman „Die Geschichte der Bienen“ bereits viel Aufmerksamkeit erfahren und den Buchhändler-Preis ihres Landes erhalten hat. Das Buch ist allerdings keineswegs nur ein Buch über Bienen. Die 41-jährige Autorin aus Oslo erzählt das Leben von drei Familien, deren Geschichten geschickt miteinander verwoben sind, obwohl sie in verschiedenen Jahrhunderten und auf verschiedenen Kontinenten leben. Da ist der Engländer William Savage, ein Bienenkundler und Samenhändler. Er kämpft gegen seine Schwermut, die ihn tagelang ans Bett fesselt, an. Von seiner Tochter Charlotte und seinem Sohn Edmund inspiriert, beginnt er, sich wieder mit den Bienen zu beschäftigen. Er baut schließlich eine Standard-Beute, die die Haltung der Bienen wirtschaftlich, aber auch tierschonend ermöglicht. In der Mitte des 19. Jahrhunderts ein großer Fortschritt. Doch ein Amerikaner hatte bereits dieselbe Idee, so dass William keinen Ruhm erntet. George und sein Frau Emma leben auf einem Hof in Ohio. Mit seinen Völkern reist George von Ort zu Ort, damit die Bienen die Blüten bestäuben. Er hofft, dass eines Tages sein Sohn Tom den Hof übernimmt, doch der hat andere Hoffnungen für sein Leben. George zählt zu den ersten Imkern Amerikas, die wenige Jahre nach der Jahrtausendwende vom Bienen-Sterben, auch Colony Collapse Disorder genannt, betroffen ist. Mit der Geschichte von Tao, ihrem Mann Kuon und dem gemeinsamen Sohn Wei-Wen dreht Lunde die Uhren weit vor. Man schreibt das Jahr 2098. In China gilt die Biene als ausgestorben. Unzählige Arbeiter und Arbeiterinnen wie Tao übernehmen die für Menschen mühsame Bestäubung der Blüten. Während eines freien Tages, an dem die kleine Familie ein Picknick macht, verändert sich der Zustand des kleinen Junge von einem Moment auf den nächsten dramatisch. Er wird ins örtliche Krankenhaus, später nach Peking gebracht. Die Eltern erfahren nicht, was mit ihrem Kind geschehen ist. Tao wagt es, nach Peking zu fahren. Die Metropole und Hauptstadt des riesigen Landes ist aufgrund der Nahrungsmittelknappheit und der drastischen Verringerung der Bevölkerung nahezu ausgestorben. Jede dieser Familiengeschichte erzählt von der Verbindung zwischen Mensch und Biene. Gleichzeitig erfährt der Leser viel über die Besonderheit dieses staatenbildenden Insekts, die Aufgabe der einzelnen Biene für das Bienenvolk, ihre Bedrohung durch Monokultur, Pestizide, Klimawandel und die Varroa-Milbe. Doch es gibt weit mehr Gemeinsamkeiten, die alle Handlungsstränge, in denen William, George und Tao jeweils als Ich-Erzähler zu Wort kommen, verbinden. So wird in jeder der Geschichten von der Verbindung zwischen Eltern- und Kind-Generation berichtet. Allerdings nicht immer zum Vorteil des jeweiligen Protagonisten, die wohl nicht unbedingt auf die Sympathie des Lesers stoßen werden: William schlägt seinen einzigen Sohn, obwohl er selbst ein traumatisches Erlebnis in der Kinderzeit erfahren hat, zudem gibt er die Idee seiner Tochter für den Bau der Bienen-Beute als seine eigene aus. George ist ein oftmals jähzorniger und dickköpfiger Stiesel, der kein Verständnis für die journalistischen Ambitionen seines Sohnes zeigt. Tao schließlich lässt ihren Mann zurück, um allein auf die Suche nach Wei-Wen zu gehen. Gleichzeitig legen die Helden einen großen Willen an den Tag und kämpfen hartnäckig gegen ihren herben Verluste ihr und Versagensängste an, die sie plagen. Während dieses Springens zwischen den Zeiten, von Familie zu Familie und das Wissen rund um die Bienen und ihre Bedeutung eine wunderbare Spannung erschaffen, die den Leser an die Geschichte bindet, wirken hingegen einige Sätze im Gegensatz zu poetisch ausgestalteten Szenen sprachlich recht holprig und unrein. So nimmt William, ein Mensch aus dem 19. Jahrhundert, das Wort „Weltklasse“ in den Mund, das wohl eher in der heutigen Zeit geläufig ist. Auch erscheinen manche Szenen recht nebensächlich. Mängel, die jedoch vor allem angesichts der Geschichte von Tao und des Blicks in eine düstere Zukunft vergessen sind. Denn dieser Part ist herausragend und verdient besondere Aufmerksamkeit. Rundum düster und beklemmend erscheint diese Zeit, die viele Opfer gefordert hat, aber nicht wirklich hoffnungslos ist. Eine Botschaft, die Lunde, die als Quelle für ihr Werk auch den viel beachteten und eindrucksvollen Dokumentarfilm „More than Honey“ nennt, mit ihrem Buch wohl ausdrücken will. Gerade deshalb sollte dieser eindrückliche wie berührende Roman, trotz stilistischer Schwächen, oft und viel gelesen werden. Den mahnende Stimmen sollte es mit Blick auf die Bedeutung der Bienen und die Zukunft der Menschheit nie genug geben.

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