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Rezension zu
Du erinnerst mich an morgen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Eine bewegende Geschichte, die einen nicht mehr loslässt

Von: Buntes Tintenfässchen
17.05.2017

Katie Marshs Debütroman Die Liebe ist ein schlechter Verlierer war eines meiner Buch-Highlights im letzten Jahr und hatte mich vor allem aufgrund der ernsten Thematik angesprochen. Eine solche greift Marsh auch in ihrem neuen Roman Du erinnerst mich an morgen auf. Im Mittelpunkt steht diesmal die Alzheimer-Erkrankung - eine Erkrankung, die mittlerweile viele Menschen betrifft und als eine der gefürchtetsten gilt. Ich war besonders gespannt auf Marshs Umsetzung, weil meine Uroma an Demenz litt (sie erkannte mich nicht) und ich daher natürlich auch ein persönliches Interesse an der Thematik habe. Der Einstieg war für meinen Geschmack zunächst etwas holprig: Wir lernen Zoe kennen, eine junge Frau, die sich auf ihre Trauung vorbereitet, die in wenigen Minuten stattfinden soll. Dass etwas nicht stimmt, merkt man bereits an ihrer fast schon übertriebenen Nervosität, doch der Hammer kommt, als sie einen Anruf von der besten Freundin ihrer Mutter erhält und kurzerhand ihren Verlobten Jamie vorm Traualtar stehen lässt, um ihrer Mutter zu Hilfe zu eilen. Das Verhalten ist vor allem deshalb nicht nachvollziehbar, weil Zoe 10 Jahre lang keinen Kontakt zu ihrer Mutter hatte. Das ist erst einmal das einzige, das man als Leser erfährt und auf mich wirkte die gesamte Ausgangssituation irgendwie konfus und zu konstruiert - kommt so etwas im echten Leben wirklich vor? Aber: Im Verlauf der Handlung klärt sich nach und nach auf, weshalb Zoes Verhältnis zu ihrer Mutter derart zerrüttet ist und was es war, dass sie dazu veranlasst hat, ihre Hochzeit auf so brutale Weise in letzter Sekunde abzublasen. Und so wird der Anfang des Romans schließlich plausibel. Zoe nimmt sofort die Veränderungen am Verhalten ihrer Mutter wahr - Dinge, die weder deren bester Freundin Mags noch Zoes Schwester Lily, die regelmäßig Kontakt zu Gina haben, auffallen beziehungsweise die sie womöglich bewusst ignorieren. Irgendwie ist Zoe zu Beginn noch eine Außenstehende, die objektiv bleibt und vor allem rational denkt. Sie sieht die Zeichen und weiß noch vor der Diagnose: Ihre Mutter leidet an Alzheimer. Diese Erkenntnis reißt Zoe den Boden unter den Füßen weg, denn ihr ist klar, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt, um wieder eine Bindung zu ihrer Mutter aufzubauen und sie für all die Jahre zu entschädigen, in denen sie sie ignoriert hat. Von diesem Moment an war mir Zoe wesentlich sympathischer als zu Beginn, denn sie packt den Stier bei den Hörnern, nimmt ihre Mutter bei sich auf und kümmert sich trotz eigener Firma und ihres Liebeskummers hingebungsvoll um sie. Und wieder merkt man der Geschichte und den Figuren Katie Marshs Detailgenauigkeit und ihr persönliches Interesse an dem Thema an. Das schnelle und grausame Fortschreiten der Demenz stellt sie sehr authentisch dar, mit allem, was es mit sich bringt. Für Zoe, die zunehmend Mühe hat, ihre Mutter rundum die Uhr zu betreuen, sie zu beschäftigen und ihr dennoch das Gefühl zu geben, dass sie nicht eingesperrt ist, sondern nach wie vor selbst entscheidet. Für Gina, der ihr Leben Stück für Stück entgleitet und die sich immer weniger zurechtfindet - einfach nicht begreifen kann, was mit ihr passiert. Für die Menschen in Ginas Umfeld, wie beispielsweise ihren Exmann, der ihr Verhalten zunächst abstoßend findet und sie für eine Säuferin hält. Es tut weh, mit anzusehen, wie ein Mensch sich nach und nach selbst verliert und wie seine Angehörigen mit ansehen müssen, wie sich gemeinsame Erinnerungen in Luft auflösen und (in Zoes Fall) die Chance auf eine Aussöhnung mit jedem Tag geringer wird. Auch der innere Zwiespalt der Angehörigen wird thematisiert: Bin ich ein schlechter Mensch, wenn ich zugebe, dass ich die Betreuung einfach nicht mehr länger stemmen kann? Kann ich meine Mutter einfach so in ein Pflegeheim "abschieben"? Zoes Mut und ihre Kraft muss man einfach bewundern - sie kümmert sich lange fast allein um ihre Mutter, muss ständig um deren Sicherheit bangen und hat praktisch kein eigenes Leben mehr. Und als Leser merkt man eher als sie selbst: So kann das nicht weitergehen. Katie Marsh zeigt sehr schön, dass man als Angehöriger eben ab einem gewissen Punkt auch keine fachgerechte Pflege mehr gewährleisten kann und dem Erkrankten damit auf lange Sicht nichts Gutes tut. Und noch ein weiterer genialer Kniff zeichnet die Geschichte aus: Zwischen den Kapiteln sind Briefe von Gina an Zoe eingefügt, die diese ihr jedes Jahr zum Geburtstag schrieb. Auf diese Weise erfährt man zum einen, was zwischen den beiden vor so vielen Jahren vorgefallen ist. Zum anderen zeigen sie aber auch, wie stark sich Ginas Persönlichkeit durch die Krankheit verändert hat. Die Gina aus den Briefen scheint kaum mehr etwas mit der an Alzheimer erkrankten Gina gemein zu haben und das demonstriert doch sehr eindrucksvoll, was Demenz mit einem macht. Insgesamt ist die Geschichte nach dem etwas holprigen Einstieg unglaublich fesselnd und vor allem bewegend - ein Wechselbad der Gefühle. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und hatte beim Lesen das ein oder andere Mal Tränchen in den Augen. Mein Fazit: Auch mit ihrem zweiten Roman hat Katie Marsh für mich voll ins Schwarze getroffen. Um ein ebenso bedrückendes wie wichtiges und hochaktuelles Thema spinnt sie eine spannende, realitätsnahe Geschichte, die einen nicht mehr loslässt. Große Leseempfehlung!

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