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Rezension zu
Born a Crime – Als Verbrechen geboren

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein Buch, dass die Augen öffnet

Von: Friederike (Buch & Gewitter)
12.08.2018

In der Schule lernte ich Begriffe wie Rassismus, Apartheid, Rassentrennung und doch war mir nie klar was genau sie bedeuten. Wie sie in der Realität wirken. Wie wichtig diese Begriffe tatsächlich sind. Wie viele Leben durch sie schon beeinflusst wurden und vor allem, wie wenig wir uns darum kümmern. Trevor Noah hat all dies hautnah miterlebt, als er 6 Jahre lang unter der Apartheid gelebt hat. Aber etwas so umfassendes wie Apartheid ändert sich bei weitem nicht so schnell, wie es offiziell „abgeschafft“ wird. In seinem Buch Farbenblind erzählt er seinen Werdegang in Südafrika in 18 Aufsätzen. Ich habe für dieses Buch sehr lange gebraucht. Das lag an erster Stelle an der Ehrlichkeit der Texte, der Brutalität und Gewissenlosigkeit, die geschildert wurde. Des Weiteren ist der Aufbau nicht chronologisch gewesen, man ist als Leser ständig vor und und zurück gesprungen in Trevors Leben, was teilweise sehr verwirrend und anstrengend war. Diese vorerst willkürlich erscheinende Strukturierung hat am Ende dennoch ein Bild gegeben, einen Höhepunkt auf den man als Leser hingearbeitet hat und der zugegeben, ziemlich schockierend war. Die emotionale Anstrengung die entstand hat mich oftmals tagelang davon abgehalten weiter zu lesen. Trotz allem hat es mich tief beeindruckt. Die Opfer des Holocaust zählen, weil Hitler sie zählte. […] Aber wenn man nachliest, welche Gräueltaten gegen Afrikaner verübt wurden, dann gibt es keine Zahlen, nur Schätzungen. – S. 227 Trotz der schwierigen und schlimmen Themen wurde das Buch immer mit Humor erzählt, so absurd und schlimm eine Aktion auch war, Trevor Noah hat sie fast lächerlich dargestellt. Sein Stil ist wahnsinnig locker gewesen, kumpelhaft. Die Umstände wurden ganz leicht erklärt. Das hatte zur Folge, das ich einige Male gegrinst habe, viel öfter aber innehalten musste, um die Botschaft hinter der witzigen Floskeln zu verarbeiten. Die Geschichte Sowetos ist die Geschichte seiner Auffahrten. Ein Ort der Hoffnung. – S. 57 In dem Absatz, aus dem dieses Zitat stammt, beschreibt Noah die Geschichte des Townships Soweto, das ursprünglich als Gefängnis geplant gewesen war. In Townships basteln sich die Menschen ihre Häuser zusammen: Aus Pappe, Wellblech, später vielleicht mal Stein. Zuerst ein Zimmer, dann wird es erweitert, vielleicht kommt auch der Punkt im Leben der Familie, wo es zwei Zimmer gibt. Aber jeder hatte einen Grundbesitz, und wenn man hinter die Zeilen schaut, versteht man, dass all diese bettelarmen Menschen eine Auffahrt hatten, weil die Weißen eine Auffahrt hatten. Sie hofften immer, dass es besser werden würde. Farbenblind ist für mich deswegen so beeindruckend gewesen, weil es den Gräueltaten, von denen ich immer nur ein Bruchstück gesehen habe, ein Gesicht gegeben hat. Wie so vieles hat auch die Apartheit viel mehr Unterpunkte als man sich als Unbetroffener vorstellen kann. Zwischen den Aufsätzen schildert Trevor Noah einige grundlegende Begebenheiten in Südafrika und wie verschlagen diese gegeneinander ausgespielt wurden. So hat Apartheid zum Beispiel dafür gesorgt, dass es nicht nur ein Trennung zwischen Weißen und Schwarzen gab, sondern auch zwischen den einzelnen Stämmen der Schwarzen. Man hat verhindert, dass die Schwarzen – die Mehrheit in Südafrika – sich zusammenschließen konnten. Durch etwas so simples wie Sprache. Es gab eine offizielle Amtssprache – Englisch. All die Dialekte und anderen afrikanischen Sprachen der Ureinwohner wurden als „nicht wichtig“ genug befunden, obwohl die Sprechenden das natürlich anders sahen. So lernte kaum jemand die Stammessprache des anderen und man konnte sich nicht verständigen. Anhand seiner Hautfarbe hat Trevor Noah schon optisch nicht in das System gepasst, da hat er sich zumindest die Sprache zunutze gemacht und jegliche Dialekte gelernt, mit denen er zu tun hatte. Ich wurde zum Chamäleon. Meine Farbe änderte sich nicht, aber ich konnte die Farbwahrnehmung der anderen verändern. […] Ich sah vielleicht nicht aus wie mein Gegenüber, aber wenn ich wie der andere sprach, war ich wie der andere. – S. 73 Das alles ist nur ein Bruchteil dessen, was ich aus diesem Buch mitgenommen habe. Einen Aufsatz mit dem Titel „Go, Hitler!“ hat es mir besonders angetan. Allein schon die Überschrift lässt einen skeptisch werden, aber letztendlich beruht das nur auf Missverständnissen. Die weißen Eroberer konnten natürlich die Namen der Eingeborenen nicht aussprechen und anstatt, dass sie die Sprache lernen, haben sie die Schwarzen verleitet ihren Kindern einen weißen Namen zu geben. Schwarze haben also drei Namen: einen weißen Vornamen, einen Vornamen in der Stammessprache und einen Nachnamen. Das Prinzip mit dem der weiße Vorname ausgesucht wurde, war einfach: Zufall. Aus der Bibel, nach Politikern oder Filmstars der Weißen. Und wenn die Weißen den Namen zufällig einem wichtig und machtvoll aussehendem Typen gegeben haben, dann taten die Schwarzen das auch, denn sie wollten auch machtvoll wirken. So endete ein junger Schwarzer mit dem Vornamen Hitler. Dieser junge Mann war der beste Tänzer seines Townships und zusammen mit Trevor Noah hatte sich damals eine Tanzgruppe gebildet, die auf Partys auflegte, um Stimmung zu machen. Ihr Erfolg wurde so groß, dass sie für den Kulturtag einer jüdischen Schule gebucht wurden. Und das Ende ihres Auftrittes war ein Tanzsolo von Hitler, das sie lautstark mit dem Spruch „Go, Hitler“ anfeuerten. Trevor und seine Freunde hatten keine Ahnung was Antisemitismus und Holocaust bedeuteten. Durch dieses Buch habe ich wahnsinnig viel gelernt, mir wurden die Augen geöffnet und das auf eine so natürliche Weise, dass ich es zuerst gar nicht gemerkt habe. Trevor Noah schmeißt nicht mit Fachbegriffen um sich, er kleidet das schwierige Thema Rassismus & Apartheid in ein simples Flanellhemd. Er macht es vertraut und greifbar, packt die Probleme in den Alltag.

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