Von:
Michael Hacker
aus Bonn
23.04.2024
Den Pfarrer und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945) kennen viele, insbesondere weil sein Freund und naher Verwandter Eberhard Bethge die Werke des von den Nationalsozialisten in Flossenbürg erschossenen evangelischen Theologen der Bekennenden Kirche herausgegeben und schon früh seine Biographie geschrieben hat. Sein fünf Jahre älterer Bruder, der Jurist Klaus Bonhoeffer (1901 – 1945) war aber der für den Widerstand viel bedeutendere aus der Familie Bonhoeffer; über ihn gab es bisher keine Biographie. Jutta Koslowski füllt mit ihrem Buch über Klaus Bonhoeffer nun diese Lücke.
Die Autorin ist promovierte Theologin und hat sich vorher auch schon mit Dietrich Bonhoeffer intensiv beschäftigt, bevor sie das Quellenstudium zu Klaus Bonhoeffer betrieb. Sie konnte nicht nur Interviews mit allen drei lebenden Kindern von Klaus Bonhoeffer führen, sondern auch Dokumente, die bis dahin nur in Familienbesitz und teilweise unveröffentlicht waren, einsehen. Das hat sie in den Stand gesetzt, ein sehr quellennahes Werk zu schreiben, das nach eigener Aussage ursprünglich gar nicht so umfangreich werden sollte.
Das Buch ist in vier große Kapitel (Biographie, Persönlichkeit, Reflexion und Publikation) eingeteilt und hat einen umfangreichen Anhang mit der Wiedergabe wesentlicher, teilweise vorher unveröffentlichter Dokumente von Klaus Bonhoeffer, seiner Witwe Emmi geb. Delbrück, seinen Kindern und anderen. Abgerundet wird das Buch neben Personenregister und Literaturverzeichnis durch eine Zeittafel und den Stammbaum der Familie Bonhoeffer, der hilft, die verschiedenen familiären Verbindungen zu erfassen. Denn diese sind auch für das Widerstandsnetzwerk von Klaus Bonhoeffer wichtig.
Das Buch zeigt sehr eindrucksvoll den Menschen Klaus Bonhoeffer und die auch durch seine Herkunft geprägte ethische Einstellung, die ihn in den Widerstand trieb. Er sah auch schon sehr früh das Scheitern und dessen Folgen. Auch die Aktivitäten insbesondere seiner Frau, die ihre Kinder an der Ostsee bei Verwandten zurückließ, um ihren Mann im Gefängnis mit Nahrung und verschlüsselten Botschaften zu versorgen, werden eindrücklich dargestellt. Emmi Bonhoeffer war auch nach dem Krieg eine sehr aktive und politische Persönlichkeit.
Insgesamt ist allen, die sich mit Klaus Bonhoeffer, seiner Familie und dem Widerstand in der NS-Zeit auseinandersetzen wollen, diese lohnende Lektüre ans Herz zu legen. Gewisse Grundkenntnisse zur NS-Zeit und zum Widerstand sind hilfreich, auch wenn die sehr detaillierten Fußnoten viele zusätzliche Informationen vermitteln. Für die NS- und Bonhoeffer-Forschung dürfte dieses Buch zum Standardwerk werden.
