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Rezensionen zu
Im Schatten der Sterne

Regina Scheer

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Die Zeiten sind rau geworden in diesen Tagen der 1930er Jahre. Der einstige Glanz aus Weimar wurde erst von einer Staubschicht unter sich begraben, anschließend wurde er zertrümmert. Das erblühen von Demokratie, von Freiheit und jüdischer Emanzipation schien lediglich eine kurze Strophe eines langen Textes zu sein. Jene, die nun die Zeilen schrieben, tunkten ihre Federn in Blut und setzten die Feder aufs Papier der Geschichte. Was sie aber schrieben, waren Deportationslisten und Verbote, keine Poesie. Als Hitler und seine Schergen die jüdische Bevölkerung immer weiter zusammendrängte und aus der Öffentlichkeit verbannte, wurde vielfach gewarnt, man solle sich dagegen nicht wehren, es würde nur noch schlimmer werden. Wie viele hörten auf diese Worte der Angst – und wie viele taten es nicht? Eine Gruppe junger Menschen, die sich ihrer Angst zum Trotz dem Widerstand verschrieb, war jene um Herbert Baum. Sie waren Kommunistinnen und Sozialisten, waren vor allem auch Jüdinnen und Juden. Sie standen am Abgrund, ihre Welt wurde in Trümmer gelegt und sie ahnten gewiss, dass ihr Ende ohnehin drohte. Über sie, die im Schatten der Sterne liefen, schrieb Regina Scheer ein intensives und umfassendes Werk. Bisher erhielt die Gruppe nur wenig Beachtung im historischen Kontext. Ihre weitgehende Unbekanntheit kann verschiedene Gründe haben – beispielsweise eine langjährige Fokussierung auf die »guten Deutschen«, jene, die als Platzhalter einer Nation von Mitläufern und Tätern dienen, die das Gewissen beruhigen konnten. Die Weiße Rose etwa, oder Stauffenberg. Für jüdischen Widerstand gab es im historischen Narrativ lange keinen Platz – doch in der Realität gab es ihn. Im Mai 1942, im dritten Kriegsjahr, fuhren Hitler und seine ranghohen Mittäter die Propaganda-Maschine hoch und luden zur Ausstellung »Das Sowjetparadies«. Es war eine Sammlung von Gräuelbildern und Schaudergeschichten, die das Volk auf einen längeren Krieg einstimmen sollten – befeuert durch die Angst vor den angeblichen Wilden des Ostens. Auch Herbert Baum und einige aus der nach ihm benannten Gruppe sahen die Ausstellung – nachdem sie zuvor den gelben Stern von ihren Mänteln entfernten. Geschockt und fassungslos über das, was sie über ihr sozialistisches Herzensland im Osten sahen, beschlossen sie, sich gegen die Ausstellung zur Wehr zu setzt. Ihr Ziel war ein Brandfeuer, das die Ausstellung zu der Asche verwandeln sollte, die dem Reich gebührte. Sie planten und verschoben, führten schließlich den Anschlag durch – und scheiterten. Kaum mehr als ein kleiner Brand, ein schnell zu löschendes Feuer entstand. Medial verschwiegen, kriminalpolitisch aber ausgeschlachtet. Die jungen Männer und Frauen begaben sich damit in größtmögliche Gefahr und der Großteil von ihnen würde die kommenden Jahre nicht überleben. Regina Scheer recherchierte ihre Schicksale mit historisch beachtenswerter Präzision und einer Breite an Informationen. Wie oft traf und redete sie wohl mit den wenigen Überlebenden, mit Menschen, die die Widerstandskämpfer:innen kannten? Unzählige Gespräche – und doch bleiben so viele Fragen unbeantwortet. Das Los der Historikerin. Im sozialistischen Deutschland wurde zwar das Gedenken an die Gruppe um Herbert Baum hochgehalten, allerdings wurde ein wesentlicher Faktor verschwiegen – die Tatsache, dass alle Mitglieder der Gruppe Jüdinnen und Juden waren. Gerade im Licht des nationalsozialistischen Antisemitismus, der Vernichtungsmaschinerie, die Hitler über Europa rollen ließ, sollte dieser Umstand Erwähnung finden. Sie waren alle mehrfach gefährdet – als Jüdinnen, Juden, Sozialistinnen, Kommunisten. Jeder Fehltritt hätte ihren Tod bedeuten können – und am Ende kam es auch so. Im Osten waren sie ausschließlich Kämpferinnen und Kämpfer für die Idee des Sozialismus, im Westen waren sie gänzlich unbekannt. Ein würdiges Gedenken kann in einer solchen Umgebung nicht gedeihen. Scheer aber weiß um die Wichtigkeit der Baum-Gruppe, versteht, dass gerade auch ihr Jüdischsein ein essentieller Faktor ihres Wesens als Gruppe war – wenn auch nicht für sie als Individuen. Sie erkannte schon früh die Gefahren, derer sich die Mitglieder aussetzen und wusste, dass dies besondere Erwähnung und tiefen Respekt verlangte. Keines von beiden wurde der Gruppe bisher zuteil. Nun aber wurde sie aus dem Schatten des nichtjüdischen Widerstands herausgeholt, wurden mit dieser unfassbar wichtigen Neuauflage des Werkes erneut gewürdigt. Auch wenn es sprachlich keine großen Sprünge wagt und irgendwo zwischen Sachbuch und Roman schwebt, ist es inhaltlich unentbehrlich. Das Buch ist unfassbar intensiv, detailreich und breit aufgestellt, wodurch es kräftige Gemälde eines Widerstandes zeichnet, der bisher kaum schwarz-weiße Zeichnungen erhielt. Regina Scheer füllt eine Lücke, die Historikerinnen und Historiker seit Jahrzehnten nicht füllten und verdient damit große Anerkennung. Entstanden durch Jahrelange Recherche ist nun dieses Buch, welches deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient als es in den vergangen Jahren erhielt. Scheer erschuf mit »Im Schatten der Sterne« einen unentbehrlich historischen Schatz.

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