Zugegeben, ich war am Anfang skeptisch: Sich bewusst mit Rassismus auseinandersetzen und mit Kindern darüber sprechen, das ist ungeheuer wichtig. Aber muss man Rassismus wirklich in die Welt von Rennautos versetzen, um ihn Kindern verständlich zu machen? Nach dem Lesen und Vorlesen denke ich: Man muss nicht, aber man kann sehr wohl – denn es funktioniert. Das weiße Rennauto Ace und das Schwarze Rennauto Chase sind beste Freunde. Jedes Jahr treten sie gemeinsam beim großen Rennen an und freuen sich über die Erfolge des anderen. Doch nach und nach verschärft der (mit weißen Autos besetzte) Rennausschuss die Regeln so, dass der Schwarze Chase keine Chance mehr hat, das Rennen zu gewinnen. Während Chase an sich zu zweifeln beginnt, merkt Ace lange nicht, was vor sich geht. Erst als er bei einem Rennen nach den Regeln für Schwarze Autos fährt, erkennt er die Ungleichbehandlung.
Aus meiner subjektiven Sicht (die Sicht einer privilegierten, weil von Rassismus nicht betroffenen Person) macht die Geschichte Ursachen und Auswirkungen von strukturellem Rassismus sehr anschaulich: Der Benachteiligte sucht die Fehler bei sich, der Privilegierte erkennt seine Privilegien nicht, und diejenigen, denen die Ungleichbehandlung auffällt, haben oft nicht den Mut, dagegen zu protestieren.
Mein einziger winziger Kritikpunkt: In der Geschichte gehen die rassistischen Regeln von einer kleinen Gruppe aus, dem Rennausschuss; der Rest ist "unschuldig". In der Realität müssen wir aber wohl eher davon ausgehen, dass Rassismus uns nicht von einer mächtigen Minderheit "übergekippt" wird, sondern dass wir fast alle, mehr oder weniger bewusst, dazu beitragen - sei es nur durch unreflektiertes Weitergeben bestimmter stereotyper Vorstellungen.
Das Buch hat noch eine zweite große Stärke: Es lässt Menschen wie mich, die ungeübt darin sind, über Rassismus zu sprechen, nicht allein. In je einem Vorwort erklären die Autorin, die in den USA antirassistische Psychotherapie anbietet, und die Herausgeberin die Entstehung des Buches. Im Anhang finden sich zu verschiedenen Stellen im Buch mögliche Diskussionsfragen, ergänzt durch Anmerkungen und Hintergrundinformationen für Erwachsene, mit denen sie die Diskussionen fundiert führen können. Sie stammen von der Übersetzerin Melody Makeda Ledwon und von Olaolu Fajembola, die auch selbst ein erfolgreiches, rassismuskritisches Buch geschrieben hat: "Gib mir mal die Hautfarbe".
Mein Fazit: Eine hervorragend gelungene Unterstützung für alle, die mit Kindern über Rassismus sprechen wollen - und für alle, die davor (noch) Berührungsängste haben.