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Katherine Webb, Die Frauen am Fluss (Diana)

Interview mit Katherine Webb zu »Die Frauen am Fluss« (Diana)

Katherine Webb über ihren Roman »Die Frauen am Fluss«

Katherine Webb
© NellMalliaPhotography
Liebe Katherine, was bedeutet der Schauplatz von Die Frauen am Fluss für Sie – sowohl persönlich als auch historisch betrachtet?

Die Frauen am Fluss spielt an einem meiner absoluten Lieblingsorte – dem By Brook Tal in England. Das ist ein kleines, entlegenes Tal im Süden der Cotswolds. Es gefällt mir, weil es noch so ursprünglich ist – dort sieht es heute nicht viel anders aus als vor fünfhundert Jahren. Solche unberührten Landschaften finde ich wunderschön. Auch das Dorf Slaughterford ist noch sehr authentisch, an den Gebäuden und Ruinen kann man die unterschiedlichen Phasen der Geschichte ablesen. Ich sehe sofort vor mir, was für Menschen dort gelebt haben und wie ihr Leben ausgesehen hat.

Fällt es Ihnen leichter, über einen Ort zu schreiben, wenn Sie ihn auch auskundschaften und erleben können?

Ja, in gewisser Weise schon. Ich fahre immer an die Orte, die in meinen Büchern vorkommen. In den Monaten, bevor ich mit dem eigentlichen Schreiben beginne, versuche ich, sie so gut wie möglich kennenzulernen. Bei diesem Buch war das leicht, denn ich musste nur ein kurzes Stück mit dem Auto fahren und nicht in ein anderes Land fliegen! Doch sobald ich anfange zu schreiben, ist alles in meinem Kopf. Während ich an der ersten Fassung von Die Frauen am Fluss gearbeitet habe, war ich kein einziges Mal in Slaughterford. Ich habe mich ganz auf meine Erinnerung und meine Vorstellungskraft verlassen, so als würde ich über einen Ort schreiben, der tausende von Meilen weit weg ist.

Mit Irene, Pudding und Clemmie haben Sie drei sehr unterschiedliche und starke Frauenfiguren erschaffen. Wie würden Sie sie charakterisieren, was sind ihre Ängste, wovon träumen sie?

Es gefällt mir, dass man in einem winzigen Dörfchen wie Slaughterford dieselbe Gesellschaftsstruktur vorfindet wie in einer Großstadt. Meine drei Hauptfiguren repräsentieren die drei gesellschaftlichen Schichten jener Zeit. An einem so kleinen Ort waren die verschiedenen Kreise vermutlich mehr dazu gezwungen, irgendwie miteinander auszukommen, als an einem größeren. Es hat mir großen Spaß gemacht, mir genau das vorzustellen und darüber zu schreiben – wie hätten diese drei Frauen einander wahrgenommen? Hätten sie jemals Freundinnen werden können?

Irene gehört zur Oberschicht. Sie hat den „Hausherrn von Manor“ geheiratet und ist aus London fortgezogen, um einem Skandal zu entfliehen. Am Beginn der Geschichte ist sie sehr unglücklich. Man erwartet von ihr, selbstbewusst und weltgewandt zu sein, aber im Grunde ist sie ein äußerst schüchterner und unsicherer Mensch. Und in einem kleinen Ort wie Slaughterford, in dem alle beobachten, was sie tut und sagt, verstärkt sich diese Unsicherheit noch …

Pudding ist die Tochter des Arztes. Ich habe sie mir als einen Menschen vorgestellt, der von Natur aus fröhlich, optimistisch und arbeitsam ist. Sie ist zufrieden mit dem, was sie hat. Obwohl sie Irene und die Vorstellung, wie diese früher gelebt hat, in gewisser Weise faszinieren, träumt sie nicht davon, Slaughterford jemals zu verlassen. Doch die Krankheit der Mutter und des Bruders ist eine große Belastung für die Familie. Pudding muss schnell erwachsen werden und viel Verantwortung übernehmen, obwohl sie doch eigentlich nur reiten möchte!

Clemmie ist die Tochter eines Bauern und lebt auf einem der abgelegenen Höfe außerhalb des Dorfes. Sie stottert stark und kann nicht sprechen. Da sie nie lesen und schreiben gelernt hat, ist sie nicht in der Lage, mit der Welt zu kommunizieren. Doch zu Beginn der Geschichte stört Clemmie das nicht – sie ist fast ein Teil der Landschaft, in der sie lebt. Sie kennt und will nichts anderes. Bis sie einen Jungen trifft und sich verliebt – damit ändert sich alles für sie!

In Großbritannien gibt es oft sehr ungewöhnliche Ortsnamen, Slaughterford etwa, in dem das Wort „schlachten“ steckt, klingt eigentlich nicht nach einer idyllischen Gegend. Welcher Ort würde sie nur aufgrund des Namens als Schauplatz für einen Roman reizen?

Ich liebe diese ausgefallenen Ortsnamen bei uns, auch die, die nicht so lieblich klingen. Es macht mir Spaß zu erkunden, woher die Namen stammen – so wie in diesem Buch bei Slaughterford. Bei meinen Recherchen fand ich heraus, dass Orte in Großbritannien, in deren Namen der Begriff „cold“ vorkommt (und davon gibt es eine ganze Menge), von den Angelsachsen so genannt wurden, weil sie meinten, dass es dort spukt. Meist findet man Orte mit „cold“ in der Nähe eines prähistorischen Grabhügels oder einer Siedlung. Vor tausend Jahren waren die Menschen äußerst abergläubisch. Für mich muss ein Ortsname also nicht idyllisch klingen, um interessant zu sein! Mich reizen Städtchen wie „Martins Heron“ („Martinsreiher“), „Maidenhead“ („Jungfernschaft“), „Catsgore“ („Katzenblut“)! Nicht weit von mir entfernt gibt es einen Ort, der „Cannard’s Grave“ („Cannards Grab“) heißt – wer war Cannard? Warum hat man ihn dort begraben?

In Ihren Romanen überraschen Sie die Leserinnen und Leser mit unerwarteten Wendungen. Wie gehen Sie bei der Entwicklung Ihrer Geschichten vor? Denken Sie sich erst den Schluss aus, oder erschaffen Sie erst die Charaktere und sehen dann, wohin diese Sie führen?

Das variiert von Buch zu Buch. Manchmal fällt mir zu meiner eigenen Überraschung auf halbem Wege ein ganz anderes Ende ein. Bei diesem Roman gab es allerdings zuerst den unvorhergesehenen Schluss. Es ist eine etwas andere Wendung, als ich sie normalerweise schreibe. Ich musste das Ende von Anfang an wissen, damit ich beim Schreiben nichts verrate. Ich wollte, dass die Leserinnen und Leser am Ende des Buchs völlig perplex sind – dass sie noch einmal alles durchdenken müssen, was sie gelesen haben. Das war nicht ganz einfach, aber eine spannende Herausforderung.

Den Briten wird nachgesagt, dass sie große Teeliebhaber sind. Trifft das auch auf Sie zu? Und wenn ja, welcher ist Ihr Lieblingstee und wie trinken Sie ihn?

Oh ja, ich liebe Tee! Und ich bin sehr streng, was die Zubereitung angeht. Ich trinke starken indischen Assam. Das Wasser muss noch sprudeln, wenn man es über die Teeblätter gießt. Darum ärgert es mich immer, wenn im Hotel oder Café einfach nur ein Becher heißes Wasser mit einem Teebeutel daneben serviert wird … Der Tee muss mindestens fünf Minuten ziehen, und dann gebe ich ein ganz kleines bisschen Milch hinzu. Allzu milchiger Tee ist furchtbar, und die Milch darf niemals zuerst in die Tasse geschenkt werden. Oh, darüber könnte ich den ganzen Tag lang reden...

Sie haben an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Städten gelebt. Wo fühlten Sie sich am meisten inspiriert? Was bedeutet Heimat für Sie?


Meine Heimat ist das ländliche England. Dort bin ich aufgewachsen, und dort fühle ich mich am wohlsten. Ich kann im Grunde überall schreiben – das gelang mir auch, als ich in London und Italien gelebt habe –, dazu brauche ich keinen bestimmten Ort. Ich finde, die Inspiration kommt von innen. Aber um möglichst gut voranzukommen, geht nichts über das friedliche Gefühl, zu Hause zu sein. Ich mag es, wenn die Tage ungestört sind, sodass ich mich ganz auf die Arbeit konzentrieren kann. Und zu Hause habe ich immer guten Tee vorrätig!

GENRE