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Rezension zu
Feuer und Blut - Erstes Buch

Trotz hochwertiger Ausstattung Erzählung mit merklichen Längen

Von: Gloria | Nerd-Gedanken.de
19.12.2018

Drei Jahrhunderte vor den Ereignissen um Robert Baratheons Rebellion und das danach folgende Spiel der Throne eroberte Aegon Targaryen gemeinsam mit seinen Schwestergemahlinnen Rhaenys und Visenya sowie drei Drachen den Kontinent Westeros, welcher zu jener Zeit in mehrere kleinere Königreiche aufgeteilt war. Aegon wurde so zum ersten König fast aller Reiche, seine Nachfolger brachten schließlich auch das widerspenstige Dorne unter ihre Herrschaft. Doch was sonst eher in Gesprächen und Anspielungen zur Hauptgeschichte »Das Lied von Eis und Feuer« angerissen wird, vereint Erzmaester Gyldayn als großen Abriss der Herrschaft aller Targaryen-Könige und der dramatischen Ereignisse, welche sich während der jeweiligen Regentschaften zugetragen haben… George R. R. Martin liefert derzeit zwar nicht die von Fans langersehnte Fortsetzung seines Epos »Das Lied von Eis und Feuer«, bemüht sich aber redlich, durch die Erzählung der Vorgeschichte einige Lücken zu füllen. Die weitverzweigten Verflechtungen, Begierden und Loyalitäten der Häuser in der aktuellen Storyline liegen zu einem großen Teil in Ereignissen während der Targaryen-Herrschaft begründet, da Häuser wie Tully erst nach dem Tod des früheren Königshauses der Weite aufsteigen konnten und wieder andere ihren Platz durch ihr Handeln verteidigten. Doch die Hauptrolle in diesem als Geschichtswerk aufgezogenen Erzählung spielen natürlich die sehr unterschiedlichen Könige der Targaryen-Dynastie. Der fiktive Erzähler Erzmaester Gyldayn vergleicht dabei wie ein Historiker die verschiedenen, ihm zur Verfügung stehenden Quellen von zeitgenössischen Geschichtsschreibern, wägt deren Plausibilität gegeneinander ab und versucht sich möglichst umfassend daran, Charakter und Handlungen der jeweiligen Könige und ihres direkten Umfelds zu umreißen. Dabei bleibt er als Erzählerpersönlichkeit jedoch nicht unsichtbar, da seine Bewertungen stark durch seinen eigenen Hintergrund beeinflusst werden, welcher ihm allzu drastische Ansichten über frühere gekrönte Häupter offensichtlich nicht erlaubt. Das verleiht dem gesamten Werk einen glaubwürdigen, immersiven Rahmen, macht das Lesen aber für alle schwierig, die mit dem Duktus historischer Werke nicht vertraut sind oder an dieser Art Erzählweise nicht viel Spaß finden. Selbst als Leserin mit dem Hintergrund eines Studiums alter und mittelalterlicher Geschichte musste ich mich durch einen bestimmten Teil des Buches nämlich ziemlich durchquälen – und ich bin an umfangreiche Ahnenreihen und undurchsichtige Ereignisse gewöhnt! Während die Ereignisse um die Eroberung von Westeros und die Konsolidierung der Targaryen-Herrschaft unter Aegons Nachfolgern noch einigermaßen nachvollziehbar geschrieben sind, wird die Neigung von George R. R. Martin zu extrem komplexen Intrigen, vielen Beteiligten und dauernd wechselnden Loyalitäten spätestens beim Thronfolgekampf zwischen den Nachkommen von Jaehaerys I., der späteren Generationen als »Tanz der Drachen« überliefert wurde, zu einer schwer zu verfolgenden Angelegenheit. Durch die sehr ähnlich klingenden Namen der reichlichen Nachkommen aus dem Haus Targaryen gemischt mit anderen Intriganten verliert man früher oder später den Überblick und wünscht sich eine schematische Darstellung oder zumindest eine Liste der weiteren zeitgenössischen Personen, wie es sie auch als Appendix für die Bücher der Hauptgeschichte gibt. Hier hätte es sicherlich auch ein weniger komplizierter Aufbau getan, da der »Tanz der Drachen« sehr umfangreich behandelt wird, aber auch der einzige Teil des Buchs ist, der durch seine Komplexität einige Längen aufweist – und das, obwohl die Ereignisse an sich eine spannende und abwechslungsreiche Geschichte wären, würde man sie nicht nur von außen und aus dem Blickwinkel des Erzählers betrachten. Das als eigenes Buch im feinteiligeren Stil von »Das Lied von Eis und Feuer« geschrieben würde sicherlich so manchen Fan der Welt von »Game of Thrones« sehr glücklich machen – diese Chance wurde aber leider verpasst, da im vorliegenden Werk alle wesentlichen Entwicklungen enthalten sind. So lebt George R. R. Martin in »Feuer und Blut« vor allem seine Freude am Entwurf familiärer Dramen, langfristiger Entwicklungen und interessanter Charaktere aus. Diese Charaktere lässt er dann auch passend bei immer wieder aufkommenden Konflikten reihenweise über die Klinge springen, ohne dass der Autor zu viel Detailarbeit leisten muss. Dies führt leider auch dazu, dass viele interessante Persönlichkeiten allenfalls angerissen, aber nicht tiefgreifend betrachtet werden. Zudem werden nur die Regierungsjahre von Aegon dem Eroberer bis zum Herrschaftsantritt Aegons III. geschildert, die folgenden Könige aus der Targaryen-Familie dürften in einem zweiten Band Würdigung erfahren. Die hochwertige Ausstattung der gebundenen Ausgabe kann leider nicht mit diesem generellen Manko versöhnen: neben einem eigenen Lesebändchen und der Westeroskarte auf den Buchrückenseiten verbirgt sich im mit Reliefdruck hochwertig gestalteten Einband auch ein umfangreicher Stammbaum des Hauses Targaryen von Aegon dem Eroberer bis hin zum irren König. Die vielen, stimmungsvollen Illustrationen von Comiczeichner und Illustrator Doug Wheatley verleihen nicht nur jedem genauer betrachteten König ein Gesicht, sondern untermalen auch entscheidende Abschnitte der Erzählung mit passenden Szenenbildern. Das macht trotz den Problemen bei der Erzählung an sich »Feuer und Blut« zu einem anschaffungswerten Werk für »Game of Thrones«-Hardcorefans und »Game of Thrones«-Rollenspieler als Hintergrundquellenwerk, während andere Leser davon besser die Finger lassen sollten. Fazit: Hochwertig gestalteter Druck eines sehr historisierten Abrisses über die Herrschaft der ersten Targaryen-Könige, der vor allem für Hardcore-Fans taugt. Sechs von zehn möglichen Punkten.

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