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Rezension zu
Gespräche mit Freunden

Gespräche mit Freunden

Von: Nico aus dem Buchwinkel
07.09.2019

Gegenwartsliteratur, die sich nur um zwischenmenschliche Beziehungen dreht, lese ich eigentlich nicht. Und trotzdem. Für Menschen, die in Großstädte ziehen und „irgendwas mit Medien“ machen, interessiere ich mich nicht besonders. Und trotzdem. „Mann betrügt Ehefrau mit deutlich Jüngerer“ klingt für mich ziemlich nach Klischee. Und trotzdem habe ich „Gespräche unter Freunden“ beinahe an einem Tag durchgelesen. Die Autorin Sally Rooney wird als DER britische Shootingstar am Literaturhimmel (die Zeit 30/2019) bezeichnet und ihr Debut „Gespräche mit Freunden“ wird bereits von der BBC als zwölfteilige Serie verfilmt. Was macht die 28-jährige Irin mit ihrem Erstlingswerk also so besonders? Die Geschichte des Buches ist schnell erzählt und eine Spoilerwarnung auch nicht notwendig, weil es im Buch nicht um die Geschichte geht. Die Handlung bietet lediglich den Rahmen für die titelgebenden Gespräche, die beinahe schon eine Generationenstudie darstellen. Worum geht es also? Frances und ihre Exfreundin Bobbi – beide Anfang zwanzig – treten häufiger gemeinsam bei Spoken-Word-Veranstaltungen auf. Dort treffen sie auf ein Ehepaar Mitte dreißig, sie Autorin, er Schauspieler. Die vier kommen ins Gespräch, werden Bekannte. Frances, aus deren Perspektive die Geschichte geschrieben ist, beginnt eine Affäre mit dem verheirateten Mann, dessen Beziehung zu seiner Frau nicht mehr wirklich glücklich zu sein scheint. So weit, so unspektakulär. Allerdings passiert in dem Roman stilistisch und erzähltechnisch einiges, was den Roman von anderen abhebt und wovon ich berichten will. Was mir beim Lesen von „Gespräche mit Freunden“ aufgefallen ist: Der erste Bruch in meinem Leben fand statt, als ich feststellen musste, dass die meisten professionellen Fußballspieler mittlerweile deutlich jünger waren als ich. Nun muss ich mit dem Gedanken anfreunden, dass auch erfolgreiche Autor*innen jünger sind als ich. Hart! Sprachliche Äußerungen sind nicht durch Anführungszeichen markiert. Es mag sich nach einer Kleinigkeit anhören, es fühlt sich wahnsinnig neu und ungewohnt an. So war ich stellenweise zum Beispiel unsicher, ob es sich bei dem gerade Gelesenen um einen Gedanken oder einen Gesprächsbeitrag handelte. Ich fühlte mich als Leser gefordert, mir meine eigenen Gedanken zu machen: Was hätte ich gesagt? Hätte ich in der Situation dasselbe gedacht? Die „Freunde“ haben mich also in ihre Gespräche eingebunden. Die Unterhaltungen finden auch über Chats und E-Mails statt, die im Buch abgedruckt sind. Auch insgesamt ist der Schreibstil nüchtern, wie ein Chatgespräch, bei dem die Smileys fehlen. Als Leser wusste ich manchmal nicht: Ist das ernst gemeint? Fehlt da etwas? Wie soll ich auf das Gelesene reagieren? Keine der Figuren ist wirklich sympathisch. Frances nicht, die großen Wert auf ihr Äußeres legt und ständig erwähnt, welche Kleidung sie am jeweiligen Anlass an hatte. Auch Bobbi nicht, die von allen geliebt wird und sich deshalb benehmen kann, wie sie will. Schon gar nicht Nick, der sich häufig passiv verhält oder Melissa, die in ihrer Ehe die Zuneigung vergessen zu haben scheint. Trotzdem waren mir die Figuren für die Zeit der Lektüre wichtig und ich wollte teilhaben an ihrem Leben. Ich schätze, das ist eine ziemliche Leistung von Sally Rooney. Ein gelungener Ausflug ins Grüne Manchmal lohnt es sich, über den literarischen Tellerrand hinauszuschauen. „Gespräche mit Freunden“ ist ein denkwürdiges Debut von Sally Rooney und obwohl Gegenwartsliteratur nicht zu meinen bevorzugten Genres gehört, war ich von Anfang bis Ende gefesselt, zeitweise überrascht und auch über das Ende hinaus nachdenklich. Alle, die bis hierhin gelesen haben, sollten ernsthaft über einen Kauf des Buches nachdenken, mir fehlen nämlich noch Leute, mit denen ich mich darüber austauschen kann! Das wäre dann quasi ein weiteres „Gespräch mit Freunden“.

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