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Rezension zu
Jesolo

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein feministischer Roman?

Von: Wissenstagebuch
13.09.2019

Liege an Liege. Die immer gleiche Pizza und schon wieder dasselbe Hotel: Tanja Raich dient der italienische Badeort Jesolo als Metapher für eine abgekühlte Liebe. … damit die Kinder später im Garten spielen können Andi ist Anfang Dreißig und steckt in einer okayen Beziehung mit ihrem irgendwie okayen Freund. Der will mit ihr ins Haus seiner Eltern ziehen, aufs Dorf, damit die Kinder später im Garten spielen können. Doch sie will gar nicht zusammenziehen, wollte eigentlich noch mal in einer großen Stadt gewohnt haben und überhaupt noch so einiges erleben. Als die Trennung schon fast ins Haus steht, entdeckt sie, dass sie schwanger ist. Was folgt, ist eine Kaskade gut gemeinter Ratschläge und schließlich steht Raichs Figur da, wo sie nie sein wollte. Sie ist Hausfrau im Haus seiner Eltern mit einem Kredit an der Backe und einem Baby im Arm. Das ultimative Glücksversprechen: Mutterschaft Was habe ich mich auf dieses Buch gefreut! Raichs Protagonistin ist keine unnahbare Überfrau, die den Gedanken der Mutterschaft grundsätzlich ablehnt (anders als zum Beispiel die Protagonistin in Christian Dittloffs Dystopie „Das weiße Schloss“). Sie glaubt nur nicht, dass Mutterschaft ein allgemeingültiges Glücksversprechen ist. Sie hat aber auch keinen konkreten Gegenentwurf, weshalb ihr Freund, dessen Eltern und gemeinsame Freunde ihre Ablehnung nicht ernst nehmen. Als sie dann ungewollt schwanger wird, ist es, als schließe sich die Falle, an der sie selbst in den letzten Jahren gebaut hat. Durch wunderbar lakonische Beschreibungen erfasst Raich den ganzen Wahnsinn, der mit einer Schwangerschaft einhergehen kann. Da faselt der zuvor noch so abweisende Gynäkologe plötzlich was vom „Wunder des Lebens“, während die Protagonistin über Abtreibung nachdenkt. Da richtet die Schwiegermutter und Oma in spe schon die Wohnung ein, ohne sich darum zu scheren, was dem Paar überhaupt gefällt. Raich gibt ihrer Protagonistin derweil völlig entgegengesetzte Gedanken auf den Weg. In rascher Abfolge malt diese sich aus, wie sie Strampler kauft, abtreibt, dem Kind beim Spielen zuschaut, ihrem Freund erzählt, dass sie schwanger ist, ihren Freund verlässt. Den Leser erheitert und beunruhigt diese Technik gleichermaßen, denn er kann die Ausweglosigkeit des idyllischen Dorflebens schon sehen. Die sonntägliche Bratengabel hängt über Raichs Protagonistin wie ein Damoklesschwert. Ein feministischer Roman? Tanja Raich wurde gefragt, ob „Jesolo“ ein feministischer Roman sei. Sie antwortete, dass die Bewertung als „feministisch“ wohl in der Wahrnehmung des Lesers liege und sie diese nur bedingt beeinflussen könne. Für ein Buch, das die gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen thematisiert, klang das ziemlich unbefriedigend. Raich schob dann auch nach, es sei doch normal, dass Frauen feministisch schreiben. Fazit Ich muss gestehen, dass ich etwas enttäuscht von ihrer Antwort war. Denn Tanja Raich trifft mit „Jesolo“ den Nerv der Zeit und schafft es durchaus, zu provozieren. Daneben unterhält sie den Leser auch wunderbar – und Provokation und Unterhaltung sind doch eine ausgezeichnete Kombination, die man auch als solche präsentieren kann.

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