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Rezension zu
Acht Berge

Eine Art Heimatroman als kritische Heimat-Reflexion: Acht Berge von Paolo Cognetti

Von: Sören
14.12.2019

Ein Hoch auf die Fiktion. Sie vermag ist nicht nur, den Lesern über die Grenzen seiner kleinen Welt hinaus zu heben, sondern auch den Autor. Acht Berge von Paolo Cognetti behandelt genau die gleichen Themen, wie auch der von mir nicht gut aufgenommene Reisebericht Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen. Besonders den Antagonismus von Bergsteigen als Eroberung und in-den-Bergen-Sein als Lebenserfahrung. Während aber in Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen das eine dem anderen als westlich gegen östlich gegenübergestellt wird, womit vor allem kolonialer Kitsch reproduziert wird, gibt es hier zahlreiche Spielarten dieser Verhältnisse zum Gebirge, die auf ein größeres Ensemble an Charakteren ausgeteilt werden. Pietro ist der Sohn eines passionierten Bergsteigers, seine Kindheit verbringt er zwischen Mailand und Sommern in einem kleinen Bergdorf, wo er Bruno kennenlernt, der gänzlich dort oben lebt. Die väterliche Aufstiegs-Geilheit lernt er hassen, mit Bruno, der mit Ach und Krach die Hauptschule abschließt, verbindet den späteren Dokumentarfilmer eine lebenslange Freundschaft. Sie verlieren sich aus den Augen, dann erbt Pietro vom Vater eine heruntergekommene Hütte, die die beiden von Grund auf neu aufbauen. Und Pietro, der den Vater praktisch aus seinem Leben ausgeschlossen hat und damit unwissend reproduzierte, was dessen Vater mit seinem Sohn getan hat, erfährt dabei, dass dieser Vater in den vergangenen Jahren stattdessen Bruno eine sehr hilfreiche Vaterfigur war. Alles, was Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen so kitschig machte, wird hier als Figurenperspektive plausibel, psychologisch, und damit auch gleichzeitig fragwürdig. Gipfel erobern zu wollen ist eben keine westliche Eigenschaft, sondern die des Vaters. Bruno, dem die Alpen Lebensraum sind, kann damit genauso wenig anfangen wie Pietro, dessen Hinwendung zu einem anderen Verhältnis zu den Bergen aber gleichzeitig auch als Abwehr des Vaters verstanden werden kann. Und ein noch einmal anderes Verhältnis zum Gebirge, auch wenn das eher eine Nebenrolle spielt, zeigen die Mütter der beiden Protagonisten. Acht Berge ist ein lesenswertes Buch, das untersucht, was man „Heimat“ nennen könnte, wie sich das Verhältnis dazu entwickelt, und das interessante Konflikte durchweg durch Handlung aufbereitet. Dazu beschreibt es die Welt der Alpen zwischen den frühen 80ern und heute in mitreißender Schönheit und macht die Wandlungen deutlich, die diese Region u.a. durch den Tourismus erfahren hat. Nur der letzte Teil spielt dann ein bisschen zu sehr ins Biografische, wenn Cognetti etwas bemüht versucht, alle Handlungsstränge zu einem befriedigenden Abschluss zu bringen. Dennoch. Acht Berge ist ein Lektüre, mit der man wenig falsch machen kann.

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