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Rezension zu
Konklave

Sehr realitätsnah

Von: Michael Lehmann-Pape
21.11.2016

Fast ein wenig dokumentarisch nimmt Robert Harris in seinem neuesten Werk den Leser mit hinein hinter die Mauern des Vatikans, in das Konklave der Kardinäle zur Wahl eines neuen Papstes. Und während der „spannungsreiche“ Teil, den man von Harris immer auch mit gewohnt ist, in diesem Werk eine stark zurückgezogene Rolle spielt, gelingt es Harris dennoch, den Leser mit den inneren Zweifeln, der Gratwanderung zwischen dem „der Kirche dienen“ und dem „allein Gott dienen“ durchgehend zu fesseln. Was nicht zuletzt an der Gestaltung seiner Hauptfigur, des Kardinaldekans Lomeli, Leiter der Papstwahl und deren Organisation, liegt. Einer, der in sich Zweifel trägt. Zweifel, die stark genährt werden vom Verhalten von Gottes „Bodenpersonal“. Das Macht. Und Einflussgerangel innerhalb der Kirche, vor allem unter den Kardinälen, die „dunklen Geheimnisse“, die so mancher aussichtsreiche Kandidat tief vergraben wähnt, die aber einen Lomeli nicht davon abhalten werden, Spuren nachzugehen, sich selbst in Frage und um Vorgänge des Konklaves herum sehr hartnäckig Fragen zu stellen. Vor allem aber sollte der ein oder andere Kardinal vielleicht den Satz Jesu beherzigen: „Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund“. Was einen der Kandidaten alle Chancen kosten wird. In einer Welt, die gefährdet ist, was auch das Konklave im direkten Sinne zu spüren bekommen wird. In einer Kirche, die sich mit Veränderungen schwertut und schon beim nun verstorbenen Papst (durchaus als Figur angelehnt an den aktuellen Papst) offen murrte über die „Reformlust“. „Ich kann dein Urteil nicht ertragen, doch suche ich Erlösung durch dich“. Das ist die andere Seite der Medallie, die Harris ebenso zu Wort kommen lässt. Stellvertretend für viele im Konklave und in der Kirche ringt Lomeli mit seinem Glauben, versucht, die Stimme des Geistes zu erfassen, übt sich in Demut und Pflicht. „Niemand der seinem Gewissen folgt….handelt jemals falsch. Der einzige Leitfaden für die Handlungen eines Menschen kann nur sein Gewissen sein“. Diese tröstenden, mahnenden, sehr protestantischen Worte stützen Lomeli in einer konkreten Krise. Ausgesprochen von einem geheimnisvollen Kardinal, jung für seinen Rang, nicht auf der Liste, heimlich vor Kurzem von alten Papst noch ernannt. Benitez, Erzbischof von Bagdad und noch so einiges mehr, was sich vor allem am verblüffenden und unerwarteten Ende des Romans zeigen wird und einiges mit den Rasierutensilien des Kardinals aus dem Irak zu tun haben wird. „War es tatsächlich möglich, dass er in den vergangenen 30 Jahren der Kirche und nicht Gott gehuldigt hatte“? Das wird die Kernfrage werden, an der Lomeli sich innerlich, geistlich abarbeitet, während er zugleich das, aus den Fugen geratene, Konklave führen und organisieren muss. Wobei dieses und die Formen, in denen es abgehalten wird, immer wieder von Harris in Ruhe auch erläutert wird, ohne dabei langatmig oder allzu trocken im Stil zu werden. Intrigen, Geheimnisse, überraschende Wendungen auf der einen Seite, die Korrumpierbarkeit auch hoher kirchlicher Würdenträger auf der anderen Seite, das, „warum es eigentlich geht“ als roter Faden durch das gesamte Werk und ein plastischer und ohne Längen zu lesender Einblick in den Kern der katholischen Kirche und des Vatikan. Wie aus seinen Werken gewohnt gelingt es Harris wieder einmal, sein „Einfühlens in andere Welten“ und einer Darstellung in klarer, direkter Sprache samt der differenzierten Entfaltung von Personen und Beziehungen aus einem Guss zu erzählen.

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