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Rezension zu
Junktown

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Müll aufsammeln verboten

Von: Lena von Awkward Dangos
12.06.2017

"Es ging nicht um Freiheit, um Freiheit geht es nie. Revolution ist nicht der Versuch, Herrschaft abzuschütteln. Revolution ist der Austausch der einen Herrschaft durch eine andere." (S. 362) ♥ Inhalt ♥ Abstinenz ist Hochverrat! Diese Zukunft ist ein Schlaraffenland: Konsum ist Pflicht, Rauschmittel werden vom Staat verabreicht, und Beamte achten darauf, dass ja keine Langeweile aufkommt. Die Wirklichkeit in »Junktown«, wie die Hauptstadt nur noch genannt wird, sieht anders aus. Eine eiserne Diktatur hält die Menschen im kollektiven Drogenwahn, dem sich niemand entziehen darf, und Biotech-Maschinen beherrschen den Alltag. Als Solomon Cain, Inspektor der Geheimen Maschinenpolizei, zum Tatort eines Mordes gerufen wird, ahnt er noch nicht, dass dieser Fall ihn in die Abgründe von Junktown und an die Grenzen seines Gewissens führen wird. Denn was bleibt vom Menschen, wenn der Tod nur der letzte große Kick ist? (Text: Heyne) ♥ Cover ♥ Das Buch liegt als stabile Klappenbroschur gut in der Hand, jedoch ist die Verkleidung des Buchrückens eindeutig zu dünn geraten. Ich bin eine sehr vorsichtige Leserin, aber eine hässliche Leserille genau in der Mitte konnte ich beim besten Willen nicht vermeiden. :'( Die Gestaltung ist dafür wirklich toll geworden. Das futuristisch anmaßende Cover mit dem verfallenen Gebäude darauf passt wirklich gut zur Geschichte. Die rote Farbgebung deutet außerdem auf eine unterschwellige Gefahr hin, während die 3D-Optik des Titels mit einer leichten Prägung weiter hervorgehoben wird, sodass die Schrift wie eine Werbetafel wirkt. ♥ Meine Meinung ♥ Matthias Oden hat mit Junktown einen faszinierenden und sehr außergewöhnlichen Roman geschaffen, der mich mit gemischten Gefühlen zurücklässt. Hier zeigt sich mal wieder, dass Genialität und Wahnsinn sehr nahe beieinanderliegen. Einige Passagen fand ich schlichtweg genial, spannend und aufwühlend, andere wiederum zäh oder viel zu übertrieben. An sich sind der inhaltliche Aufbau und die Dramaturgie des Romans einfach exzellent in ihrer Ausführung, zwischendurch hatte ich aber doch das Gefühl, dass der Autor einfach zu hoch hinaus wollte und sich zu oft in Nebensächlichkeiten verliert. Das Buch liest sich tatsächlich wie ein Drogentrip (sofern ich das beurteilen kann^^): Unberechenbar, schrill und provokant. Im Junktown der Zukunft finden wir eine sehr verdrehte Welt vor. Konsum wird hier großgeschrieben, Müll ist ein Zeichen von Wohlstand und alle müssen ihr monatliches Pensum an Drogenzufuhr erfüllen, bevor es zum Bluttest geht. Menschen können recycelt werden und koexistieren mit Maschinen, ausgestattet mit künstlicher Intelligenz. Menschen werden in gigantischen Maschinenkomplexen namens Brutmutter gezüchtet, die sogar denken und Gefühle empfinden können. Der Roman beginnt mit einem Mord an einer dieser Maschinen. Eigentlich eine faszinierende Idee mit tollem Setting, doch der Einstieg gestaltete sich für mich eher schwierig. Leider konnte ich mir schon von Beginn an vieles einfach nicht bildlich vorstellen. Wie kann eine Brutmutter, eine riesige Maschine, bestehend aus mehreren Stockwerken, eine Beziehung zu einem Menschen eingehen? Was genau ist diese Stimmungsorgel und wie funktioniert sie nun? Der Autor verwendet einfach viel zu viele Fachbegriffe, Bezeichnungen und Abkürzungen, die sich aneinanderreihen und nur sehr dürftig erklärt werden, weshalb es trotz Glossar oftmals kompliziert und verwirrend wird. Dies hängt aber auch mit der Ausdrucksweise des Autors zusammen. Der Roman ist eigentlich sprachlich auf einem hohem Niveau, aber an vielen Stellen wurden mir die Metaphern und Vergleiche einfach zu abgefahren, zu abstrakt. Oden hat sein Augenmerk, meiner Meinung nach, zu stark auf kreative Wortneuschöpfungen gelegt, anstatt diese zu erklären oder ausreichend auf die Hintergründe der Revolution einzugehen. Die Geschichte dieser wird nur sehr knapp erklärt. Auf der anderen Seite hält er sich mit ausschweifenden Ausführungen sehr lange an überflüssigen Dingen auf, sodass ich mich durch diese eher spannungsarmen Passagen schon durchquälen musste. Was mich aber wirklich von Anfang an bei der Stange gehalten hat, ist der unglaublich spannende Kriminalfall rund um die tote Brutmutter. Hier zeigt sich, dass hinter dem zähen Einstieg eigentlich eine fantasiereiche, gut durchdachte Sci-Fi/ Dystopie steckt. Der Fall nimmt immer größere Ausmaße an, wird sehr komplex, gefährlich und zeichnet sich durch viele ungeahnte Wendungen aus, sodass ich unbedingt wissen wollte, wie das Buch ausgeht. Der Ermittler Solomon Cain rutscht dabei in eine Sache, die eigentlich drei Nummern zu groß für ihn ist, aber seine Hartnäckigkeit, die Wahrheit ans Licht zu bringen, und seine Vorgehensweisen haben mich wirklich beeindruckt. Die Charaktere sind an sich eher unsympathisch und natürlich alle hoffnungslos verlorene Junkies, die alle auf irgendeine Art und Weise eklig beschrieben werden, sodass ich auch den Protagonisten nicht so wirklich mochte, aber sein Humor war wirklich unterhaltsam. Es handelt sich um einen intelligenten, zeitweise schwarzen Humor, der oft satirische Ausmaße annimmt und Kritik an unserer Konsumgesellschaft ausübt. An vielen Stellen war mir das aber doch zu viel des Guten. Der Roman liest sich leider in großen Teilen viel zu überzogen. Viele Darstellungen der verkorksten, übermäßigen Konsumgesellschaft und ihrer Konsequenzen kamen mir persönlich einfach zu abstoßend und übertrieben daher. Ja, die Charaktere sind alle ständig im Rausch und nehmen so auch kein Blatt vor den Mund, aber der Autor hat sich da wirklich in seiner Fantasie verloren. Ich wollte nämlich überhaupt nicht wissen, wo Cain überall der Schweiß runterläuft, wo sich dieser sammelt oder wie jetzt genau das Fruchtwasser im Tank der Brutmutter riecht. Vielleicht ist dies ja einfach ein Männerbuch, aber einiges hat nun mal nicht meinen persönlichen Geschmack getroffen, was sehr schade ist. Insgesamt meine ich zu wissen, was der Autor mit seinem Buch aussagen möchte, aber an der Ausführung hakt es noch ein wenig. ♥ Fazit ♥ Matthias Odens Debutroman ist ein wirklich außergewöhnliches Werk, aber an vielen Stellen schießt es meines Erachtens über die Ziellinie hinaus. Ein bisschen kam es mir so vor, als hätte der Autor versucht ein Brave New World in "möglichst krass und explizit" zu schreiben (womit ich nicht ausdrücken möchte, dass der Roman nachgemacht wäre) und das hat mir einfach nicht ganz zugesagt. Dennoch hat Junktown seine wirklich guten, spannenden Passagen und wurde zum Ende hin immer besser. Eine lesenswerte, abgedrehte Dystopie mit einem interessanten, mutigen Ende. 3,5/5 ♥

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