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Rezension zu
Junktown

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

retro pu

Von: der Michi
03.10.2017

Vom Rauschsicherheitshauptamt bis zur konsumistischen Partei: Die Betonsprache der doppelten Diktaturerfahrung Deutschlands ist nicht zu überhören. Auch sonst zitiert der Autor freimütig die Vergangenheit, selbst wenn es sich dabei um die Welt der Popkultur handelt. Der abgehalfterte Inspektor mit der düsteren Vorgeschichte könnte glatt mit Rick Deckard aus "Blade Runner" verwandt sein, sein Name, geborgt von Robert E. Howards Dämonenbekämpfer Solomon Kane, die Atmosphäre irgendwo zwischen dem Retrofuturismus des Dieselpunks und einer halb ironischen Weiterführung zeitgenössischer Konsumperversionen angesiedelt. Die im Roman beschriebene Gesellschaft, in der Müll als Statussymbol vor dem Haus verteilt wird und ein frühes Ableben durch einen Goldenen Schuss zur gefühlten Unsterblichkeit führt, könnte kaum deutlicher als Warnung vor der übertriebenen Hingabe an Sinneslust und grenzenlosen Kommerz inszeniert sein. Aber dann ist da ja noch die Handlung. Zwischen all den Beschreibungen seiner dystopischen Welt versteckt Oden eine Detektivgeschichte, die sich aus bestens vertrauten Bauteilen zusammensetzt. Ein undurchsichtiger Chef, ein deprimierter Ermittler, unfähige Untergebene, womöglich Spione in den eigenen Reihen, eine mysteriöse Zeugin ... auf all das scheint auch in der fernen Zukunft noch Verlass zu sein. Die meisten dieser Handlungsstränge enden dann auch wie erwartet, kleinere Überraschungen finden sich allerdings dennoch gegen Ende des Buches. Da darf endlich das ganze Ausmaß der Verschwörung deutlich werden, die vorher leider irgendwo in den Tiefen Junktowns zur Nebensache wurde. Ähnliches geschieht mit Inspektor Cain. Er und die meisten anderen Figuren mit ihren fast durchweg biblischen Vornamen bleiben hinsichtlich ihrer Charaktereigenschaften derart auf der Strecke, dass insbesondere Cains tragisches Schicksal vollkommen trivial wirkt. Das nimmt dem eigentlich ziemlich wendungsreichen Finale viel von seinem Potenzial. Der von Cain untersuchte Mord an der Maschine deutet zudem darauf hin, dass in Junktown Menschen und HMW (Höhere Maschinenwesen) einträchtig nebenbeinander leben und sogar Beziehungen eingehen (man kommuniziert per Lochkarte). In einigen Nebensätzen erfährt man noch ein wenig mehr darüber, insgesamt scheint dem Autor die kontinuierliche Beschreibung seiner Welt aber wichtiger zu sein als dieses vergleichsweise unterentwickelte Motiv. Hoch anzurechnen ist es dem Werk allerdings, dass es nicht in pseudoprofessionellen Anglizismen versinkt und so manches kreative Wortspiel mit bekannten Begriffen enthält. Ein interessanter Roman also, der dennoch nicht vollständig überzeugt. Man darf von einem Leser im einundzwanzigsten Jahrhundert durchaus erwarten, dass er eine Dystopie mit Verweis auf die Fehler der Vergangenheit erkennt, selbst wenn es nicht auf jeder Seite wörtlich geschrieben steht. Als Journalist und Ex-Redakteur einer Werbezeitschrift weiß Matthias Oden um das propagandistische Potenzial von Kommerz und Werbung, was auf jeder Seite deutlich wird. Dennoch gibt es elegantere Arten davor zu warnen als es dem Leser plakativ ins Gesicht zu schreien. Diese Art zu schreiben gehört eher zu klassischen Genrevertretern wie Aldous Huxley oder George Orwell. Damit wirkt "Junktown" teilweise, als wäre es bereits vor vierzig Jahren verfasst worden. Wer Hommagen an diese Zeit mag und mit kaum verhüllten Allegorien klarkommt, der hat womöglich seine Freude daran. Seitenzahl: 400 Format: 13,5 x 20,5 cm, Klappenbroschur Verlag: Heyne

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