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Rezension zu
Das geheime Netzwerk der Natur

NATURLIEBHABER

Von: Ulrike Sokul
14.01.2018

Peter Wohllebens neues Buch öffnet unser Denken und unsere Sinne für die komplexen natürlichen Kreisläufe und Wechselwirkungen unserer Mitwelt. Dabei spielen große und kleine sowie kurzfristige und langfristige Zusammenhänge zwischen den zoologischen und botanischen Arten ebenso eine tragende Rolle wie geologische und klimatische Entwicklungen und der Einfluß der menschlichen Zivilisation. Das Spektrum der anschaulichen Beispiele für natürliche Gleichgewichte und Selbst-organisationen sowie positive und negative menschliche Einflußnahmen reicht vom winzwinzigen, unterirdischen Mikroorganismus bis zum Baumriesen, vom Moospolster, das ein Vielfaches seines Gewichtes an Wasser speichern kann, bis zur Gewitterwolke, die innerhalb weniger Minuten pro Quadratkilometer bis zu 30 000 Kubikmeter Wasser abregnen lassen kann, vom CO₂- und Stickstoffkreislauf bis zum Für und Wider winterlicher Vogelfütterung, von Ameisen-Blattlaus-Lebensgemeinschaften bis zum evolutionären Hörwettbewerb zwischen Fledermäusen und Nachtfaltern … Peter Wohlleben weckt sogleich im ersten Kapitel mit der Überschrift „ Warum Wölfe Bäumen helfen“ unsere Neugier. Denn der Zusammenhang zwischen Bäumen und Wölfen ist ja zunächst nicht offensichtlich. Im 19. Jahrhundert wurden im Yellowstone-Nationalpark auf Druck der umliegenden Farmer systematisch alle Wölfe ausgerottet. Das hatte zur Folge, daß sich die Hirsche massiv vermehrten und insbesondere die Gräser und Baumschößlinge an den Flußufern wegfraßen. Die verödeten, pflanzenarmen Uferregionen boten zu wenig Nahrung für Vögel, deren Artenspektrum abnahm; Biber, die auf Uferbäume angewiesen sind, verschwanden ebenfalls. Da die Uferböschungen kaum noch einen schützenden Pflanzenbewuchs hatten, wurde bei Hochwasser viel Erdreich mitgerissen, die Erosion beschleunigte sich, und die Flußläufe mäandrierten beträchtlich. 1995 wurden wieder Wölfe im Yellowstone-Nationalpark angesiedelt, und es begann eine „trophische Kaskade“, d.h. „eine Veränderung des gesamten Ökosystems über die Nahrungskette, von oben beginnend“. (Seite 11) Die Wölfe jagten die Hirsche, die Hirschpopulation nahm ab, und die verbliebenen Hirsche hielten sich nur noch kurz an den offenen Uferstreifen auf, da sie die Wölfe fürchteten und sich zum Selbstschutz bevorzugt in weniger sichtoffenen Waldarealen aufhielten. Die Bäume und die Pflanzenvielfalt kehrten zurück, und nach einigen Jahren waren die Flußufer wieder natürlich befestigt, die Biber kehrten zurück, und in Folge der Biberstau-dämme gab es mehr Tümpel, mehr Tümpel förderten die Ansiedlung von Amphibien, und auch die Vogelvielfalt wurde wieder größer … In Anbetracht der Tatsache, daß „Deutschland auf die Fläche bezogen eines der wildreichsten Länder der Erde ist“ (Seite 16), sollten wir die Rückkehr der Wölfe also gelassen begrüßen und nicht auf hysterische Schlagzeilen gewisser Blättchen hereinfallen. Menschen gehören nicht zum Beutespektrum des Wolfs, und selbst Vieh und Haustiere machen lediglich 0,75 Prozent seiner Nahrung aus. Tatsächlich sind streunende oder verwilderte Hunde viel gefährlicher, da sie keine natürliche Scheu vor Menschen haben. Peter Wohlleben vermittelt dem Leser eine ganzheitliche Perspektive, er berichtet ausgewogen von Chancen, Gefahren und möglichen Lösungen für menschengemachte Probleme. Er schreibt eigentlich nicht, sondern er erzählt, und dies auf eine solch lebendige, interesseweckende und faszinierende Weise, daß selbst schon sehr naturverbundene Leser nach der Lektüre mit noch wacherem Blick durch Wald und Wiesen streifen. „Das geheime Netzwerk der Natur“ legt uns mit Gefühl die Natur ans Herz und hebt uns mit Verstand die feinverästelte Komplexität der Natur ins Bewußtsein. Kritiker, die Peter Wohllebens einfühlsame Erzählweise als unwissenschaftlich bemängeln, verkennen in verkopfter oder profitbeschränkter Welt- und Selbstsicht unsere eigene menschliche Natur, die nämlich am erfolgreichsten durch eine emotionale Ansprache berührt und motiviert wird. Nur wer die Natur liebt, wird ihr mit Achtsamkeit und Respekt begegnen, lebensfeindliche Einmischungen vermeiden und sich im Rahmen seiner Möglichkeiten um ihren Erhalt und Schutz bemühen.

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