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Rezension zu
Jenseits von Afrika

Eine Farm in Afrika

Von: LiteraturReich
30.01.2018

„Ich weiß ein Lied von Afrika, dachte ich, von den Giraffen und vom afrikanischen Neumond, der auf dem Rücken liegt, von den Pflügen auf dem Acker und von den verschwitzten Gesichtern der Kaffeepflücker. Weiß Afrika auch ein Lied von mir? Zittert die Luft über der Steppe jemals in einer Farbe, die ich an mir hatte, spielen die Kinder ein Spiel, in dem mein Name vorkommt, wirft der Vollmond einen Schatten auf die kiesbestreute Einfahrt des Hauses, der dem meinen gleicht? Halten die Adler von Ngong nach mir Ausschau?“ Dieses Zitat aus Tania Blixens Erinnerungsroman ist fast genauso berühmt wie der wunderbare Anfangssatz „Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuß der Ngong-Berge.“ Beide spielen mit ihrem elegischen, sehnsuchtsvollen Ton eine große Rolle auch in der mit sieben Oscars ausgezeichneten Verfilmung von 1985 mit Meryl Streep, Robert Redford und Klaus Maria Brandauer, die allerdings nur teilweise auf dem 1936 veröffentlichten Buch beruht und sich auch einige Freiheiten in der Umsetzung erlaubte. Der Film ist reines Hollywood mit großartigen Landschaftaufnahmen, grandioser Musik, schönen Menschen und Fokus auf das, was das breite Publikum sehen möchte: große Gefühle. Die Zweckehe mit Baron von Blixen, das Scheitern der Farm und die Liebesbeziehung zu Denys Finch Hatton – das sind die zentralen Motive, um die der Film kreist. Afrika und die Afrikaner sind mehr oder weniger nur malerische Kulisse. Ganz anders im Roman, der im schwedischen Original ganz schlicht „Den afrikanske Farm“ betitelt ist. Die Beziehung zu Denys ist hier nur eine Randbemerkung, lange Zeit nicht von einer Freundschaft wie den anderen (und vielleicht nur durch das Vorwissen aus dem Film) zu unterscheiden. Der schillernde Ehemann Baron Bror Fredrick von Blixen-Finecke kommt nahezu gar nicht vor. Und doch ist es ein großer Liebesroman, voller Vergeblichkeit, voller Sehnsucht und Schwärmerei. Ein Roman über die große Liebe zu Afrika. „Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuß der Ngong-Berge.“ Diese Liebe fing, wie so manche große Liebe, ganz unverhofft und eher zufällig an. Karen Christence Dinesen wurde am 17. April 1885 in Rungstedlund bei Kopenhagen in eine streng religiöse, sehr wohlhabende Unitarierfamilie geboren. Als Karen zehn Jahre alt war, nahm sich der geliebte Vater Wilhelm das Leben – sicher ein einschneidendes Erlebnis für das Kind. Nach der Schulzeit begann Karen ein Studium der Malerei und verfasste erste Kurzgeschichten. Über das Glück in ihrem Leben kann man nur spekulieren, aber zumindest muss sie sich durch ihre Familie sehr eingeschränkt gefühlt haben. Eine unglückliche Liebe zu Hans von Blixen-Finecke führte dann dazu, dass sie mit dessen Zwillingsbruder Bror, mit dem sie eng befreundet war, eine Heirat einging, mit dem Ziel, Dänemark zu verlassen und weit weg eine neue Existenz aufzubauen. Eine etwas seltsam anmutende Entscheidung, aber Karen wollte fort und der Titel einer Baronin lockte sie. Den auf großem Fuß lebenden Bror wiederum reizte das Geld, das Karen mit in die Ehe brachte. 1913 siedelten die beiden nach Kenia aus, wo sie eine Milchfarm führen wollten. Bror erwarb die Mbagathi-Farm am Fuße der Ngong-Berge südlich von Nairobi, beschloss aber, dort eine Kaffeeplantage zu gründen - auf über 2000 m Höhe ein schwieriges Unterfangen. Außerdem lockten den passionierten Großwildjäger eher Safaris - und andere Frauen. 1915 mussten sich Karen und er einer Syphilis-Behandlung unterziehen. Karen litt unter deren Folgen ein Leben lang. Dies und die ständige Abwesenheit des Mannes führten 1921 zur Trennung in aller Freundschaft, 1925 folge die Scheidung. Die Beziehung zu Denys Finch Hatton, Karens großer Liebe, blieb auch unerfüllt, da dieser sich nicht binden mochte. Sie zerbrach 1929, also lange bevor Denys 1931 tödlich mit dem Flugzeug verunglückte. Eine der Freiheiten, die sich der Film erlaubte. Auch die zwei Fehlgeburten von Karen 1923 und 1926 bleiben unerwähnt. Ebenso recht frei behandelt der Film das Scheitern der Farm, die Karen die meiste Zeit völlig allein leitete. Das große Feuer, das dort das Ende bedeutete, ereignete sich bereits 1923. Jahrelange Misswirtschaft, Heuschreckenplagen und vor allem die ungünstige Lage führten vielmehr schleichend dazu, dass die Farm 1931 endgültig verkauft werden musste. Der mühsame Kampf um wirtschaftlichen Erfolg und die Annäherung an die Menschen des auf ihrem Land lebenden Stammes der Kikuyu nimmt einen bedeutenden Teil des Erzählten ein. Neben einem teils kritischen Blick auf die britische Kolonialgesellschaft und dem liebevollen auf Freunde und Eingeborene. Karen Blixen kehrte 1931 endgültig nach Dänemark zurück. Afrika sah sie nie wieder. Es blieb aber ihr lebenslanger Sehnsuchtsort, den sie in ihren Erzählungen und vor allem in ihrem 1937 zum ersten Mal erschienenen Erinnerungsbuch fast ein wenig mythisch überhöhte. „Alles in dieser Natur strebte nach Größe, Freiheit und hohem Adel.“ Interessanterweise erschien das Buch in zwei Fassungen, einer englischen und einer dänischen, die sich deutlich unterschieden. Die bis zur Neuübersetzung in Deutschland unter dem etwas merkwürdigen Titel „Afrika, dunkel lockende Welt“ übertragene englische Version, „Out of Africa“ war deutlich kürzer, es fehlten einige kritische Töne - vor allem gegenüber der britischen Kolonialmacht - und ist wohl auch stilistisch anders. Die neue Übertragung von Gisela Perlet beruht auf dem dänischen „Den afrikanske Farm“. Ein Vergleich beider Versionen wäre sicher interessant. Das Buch ist geprägt von Blixens großer Liebe zu Afrika und ihrem Leben dort. Voller Sehnsucht schaut sie zurück. Es ist ein Festhalten von lieben Erinnerungen und einer, das spürt Blixen sehr genau, untergehenden Welt. Dagegen spielen politische und zeithistorische Ereignisse, wie zum Beispiel auch der Weltkrieg, nur ganz am Rande eine Rolle. Der Ton ist nicht ganz so elegisch wie der des Films, kommt ihm aber nahe. Blixens Beziehung zu Afrika ist letztlich gescheitert, nicht nur, weil sie das Land aus wirtschaftlichen Gründen verlassen musste. Sie hat während ihrer Zeit dort, anders als viele Kolonisten, versucht, den Kontinent zu ihrem zu machen, die Menschen zu verstehen, sie respektiert und eine tiefe Zuneigung zu ihnen entwickelt. Davon erzählt sie in vielen kleinen Episoden, Szenen, poetischen Bildern und Landschaftsbeschreibungen, aus denen das Buch zusammengesetzt ist. Aber Karen Blixen war auch unleugbar ein Kind ihrer Zeit. Ob sie von „ihren“ Kikuyu schreibt und immer wieder Vergleiche mit Kindern oder Tieren anstellt, oder von den stolzen Somali, den freiheitsliebenden Massai oder den geschäftstüchtigen Indern, es ist immer der koloniale Blick, den sie auf alles wirft. Nicht umsonst ist auch in der neuen Übersetzung bewusst das Wort „Neger“ stehen geblieben, der von der Autorin gewiss nicht mit Verachtung, aber eben auch nicht mit einem Gefühl der Gleichrangigkeit benutzt wurde. Es ist ein ganz beachtliches Stück europäische Arroganz, die dort bei aller Zuneigung mitschwingt. Gleichzeitig schreckt Blixen aber auch nicht vor recht modernen Einschätzungen und Kritik zurück. Widersprüche zwischen Einfühlung und Überheblichkeit gibt es zuhauf. „In diese Landschaft brachten wir weißen mit unseren schweren Stiefeln und fast immer in Eile ständig einen schrillen Misston.“ „Wir haben die Neger in Ostafrika vor fünfunddreißig Jahren übernommen – wenn wir diesen Zeitpunkt mit der Geburt Christi gleichsetzen und ihnen für jedes unserer Jahrhunderte drei Jahre zum Aufholen geben, dann wäre es jetzt an der Zeit, ihnen den heiligen Franz von Assisi zu schicken und in einigen Jahren Rabelais. Sie würden alle beide höher schätzen, als wir es gegenwärtig in Europa tun.“ „Europäer, die die Krankenhäuser gebaut und eingerichtet haben, die darin arbeiten oder die kranken Eingeborenen mühsam hierher geschleppt haben, beklagen sich bitter darüber, dass die Neger nichts von Dankbarkeit wüssten, egal, was man für sie tue. In den Augen von Weißen hat diese Mentalität der Eingeborenen etwas Demütigendes und Empörendes. Es ist nämlich faktisch gleichgültig, was man für sie tut, oder anders ausgedrückt, man kann eigentlich nichts für sie tun. Sie bedanken sich nicht, sie tragen nichts nach, und selbst wenn man es will, kann man ein ihnen vielleicht zugefügtes Unrecht nicht wieder gutmachen. Das ist für uns ungewohnt und beunruhigend, das hebt in gewisser Weise unsere Existenz als Menschen auf und zwingt uns in eine Rolle, die wir uns keineswegs selbst ausgesucht hätten – als wären wir Naturphänomene, als wären wir das Wetter.“ Dieses Paradox der dem Land und den Menschen zutiefst zugetanen und um ehrliches Verstehen bemühten und der gleichzeitig von der europäischen Warte aus auf sie herabschauenden Frau ist nur ein Ausdruck des Karen Blixens Leben so bestimmenden Fremdseins, Andersseins. Fremd in der Kolonialgesellschaft, fremd unter den Afrikanern, als Frau unterwegs in einer hauptsächlich von Männern bestimmten Welt, fremd in ihren Männerbeziehungen. Diese Einsamkeit, die daraus entsteht, wird in ihren Erinnerungen sehr deutlich. Auch wenn sie von jeder Anklage oder Schuldzuweisung Abstand nimmt. Ihre innere Heimatlosigkeit, dieses Nichtankommen trotz aller Bemühungen ist vielleicht auch der Grund, sich so sehr nach der Farm in Afrika zurückzusehnen, die ihr trotz aller Widrigkeiten doch 17 Jahre das bedeutete, was einer Heimat am nächsten kommt. Karen Blixen Rassismus, das arrogante Festhalten an ihrem Adelstitel und ihrem Lebensstil oder die ausgesprochene Freude an der Jagd wilder Tiere vorzuwerfen, erscheint mir einigermaßen unangebracht. Sie war gefangen in ihrem europäischen Horizont und dem Kolonialsystem. Sie war aber durchaus bemüht, einen Blick darüber hinaus zu wagen und sie war dem Land und seinen Menschen in tiefer Liebe zugetan. Man merkt dies in jedem Satz ihrer überaus atmosphärischen und poetischen Erinnerungen, die zudem in ihrem geistreichen Ton sehr schön zu lesen sind. Ein wenig stören die vielen Zitate und Bezüge auf Bibel und Werke der Literatur und Geistesgeschichte. Sie dienen vielleicht auch ein wenig der Selbststilisierung der Frau Baronin und stören ein wenig den Lesefluss (und werden im ausführlichen Anhang erläutert.) „Jenseits von Afrika“ ist ein wunderbares, aufschlussreiches Buch, das gerade durch sein Anderssein neben dem Film glänzend besteht. „Nach meiner Abreise aus Afrika berichtete mir Gustav Mohr in einem Brief von einigen Merkwürdigkeiten auf Denys Grab, wie ich sie noch nie gehört hatte. „Die Massai, schrieb er, „haben dem Bezirkskommandanten von Ngong erzählt , dass sie bei Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang häufig Löwen auf Finch Hattons Grab in den Bergen gesehen hätten. Es handelt sich um einen Löwen und eine Löwin, die stets eine längere Zeit auf dem Grab stehen oder liegen. (…) Es gehört und ziemte sich, dass die Löwen Denys Grab aufsuchten und ein afrikanisches Denkmal für ihn waren.“

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