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Rezensionen zu
Dann denkt mit dem Herzen

Konstantin Wecker

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Ich ging an dieses Buch heran, ohne vorher besonders viel über diesen Konstantin Wecker zu wissen. Ich dachte nicht einmal daran, dass dieser Mann jemand anderes sein könnte, als einfach nur ein Autor, doch wie man vielleicht weiß, ist er vieles mehr. Liedermacher, Schriftsteller, Komponist, Schauspieler, stellenweise auch Poet und vor allem Politikinteressierter. Er war beispielsweise bei der bekannten ZDF-Polit-Satire-Show „Die Anstalt“ oftmals zu Gast, und ist praktisch der Vertreter einer ganzen Generation, bekannt geworden gemeinsam mit Reinhard Mey oder Hannes Wader in einer Reihe der großen Liedermacher Deutschlands. Um dem noch die Krone aufzusetzen, wurde er gerade frisch mit dem Ehrenpreis zum Deutschen Kleinkunstpreis 2017 des Mainzer Unterhauses ausgezeichnet, der seit 2008 verliehen wird Er ist öffentlicher Pazifist und einer dieser in den heutigen Tagen laut beschrienen „Gutmenschen“. Er trat gerade im Verlaufe der letzten beiden Jahre, seit den Beginnen der Flüchtlingskrise 2014, vermehrt und energischer für die Menschen ein, die hinter den Massen stecken, die wir seitdem jeden Tag im Fernsehen in kleinen Booten und überfüllten Zelten sehen können, ankommend mit ihren Kindern, ihren Eltern oder vollkommen allein, verängstigt, panisch, verloren. Auf diese fanden sich zwei vorherrschende Reaktionen in Deutschland und Europa; die Sparte der „Gutmenschen“, die bald Teil der sich spontan zusammen tuenden deutschen Willkommenskultur wurden, und die Sparte des Rassismus gegen die Flüchtlinge. Angst um den wirtschaftlichen Stand des Landes machte sich breit, die Armen klagten, sie bekämen in Zukunft noch weniger, die Ausländerfeindlichen spuckten auf die Neuankömmlinge oder zündeten die überfüllten und provisorisch errichteten Heime an. Diese Bilder wiederum kontrastierten mit denen der Menschen an deutschen Bahnhöfen, die die Menschen begrüßten und sie vorerst mit dem Nötigsten ausstatteten. Dieses Bild in Deutschland erschreckte den schon immer politisch orientierten Konstantin Wecker und veranlassten ihn im Sommer 2014, sein Lied „Ich habe einen Traum“ zu schreiben, in dem er eine offene Welt ohne Fremdenhass und Grenzen beschreibt, ein Lied, das zum Nachdenken anregt. Die erste Reaktion der meisten zu seinem Ton, das in diesem Lied und in allen anderen Texten in diesem Sammel-Büchlein zu finden ist, wird die Frage sein, ob er eigentlich besonders realistisch denkt. Wie soll so eine grenzenlose und scheinbar auch regellose Welt funktionieren, wird gefragt, und Konstantin Wecker als naiv beiseite getan. Seine Artikel und poetisch bis prosaisch inspirierten Texte, die unter anderem in seinem Netzmagazin www.hinter-den-schlagzeilen.de erschienen sind, versuchen, dem deutschen Bürger nach und nach einen Perspektivenwechsel zu ermöglich und fungierten für mich auch als eine Art Rückblick und Vorschau auf Jahre der Ungerechtigkeiten und politischen Entscheidungen, die über ganze Völker richten. In seinen Aussagen hält sich Konstantin Wecker stets auf der Seite des Humanismus, er zeigt offen, wie er sich ein Leben nach Dostojewskis Vorstellungen (im Vorwort zu finden), also als Mensch unter Menschen vorstellt. Er spricht von Mitgefühl über dem Verstand, von Liebe und Hass, von Grenzüberwindung, nicht bloß im geografischen Raum, und Toleranz. Wovor haben die Deutschen, oder größer, die Europäer, Angst? Was kann passieren, anders, was könnte passieren, wie wunderbar könnte es sein, wenn es anders verlaufen würde, fragt sich der große deutsche Liedermacher. Oft klagt er, dass die Menschen ihn nicht ernst nehmen, nicht daran glauben können, was er sich unter einer gut besonnenen Welt vorstellt. Regelmäßig erhält er Schimpftiraden in Mails und Hassposts auf seine Facebookseite. Er sei realitätsfern, ein linker Grüne-Heile-Weltler und ein Träumer, der nichts mit Politik anzufangen wüsste und nichts produktiveres auf die Kette kriege als Weltfrieden zu predigen, wie eine Miss America im Fernsehen. Doch ich denke, das ist etwas, was die Welt braucht. Mal ganz abgesehen davon, dass er sehr wohl ein gewisses Verständnis von Politik besitzt und mitunter mehr Intelligenz beweist als so mancher Politiker in hohem Amt. Er sieht die Dinge nun einmal nicht aus der Sicht der Menschen, die bloße Zahlen im Fernsehen hören und mit massenhaft Bildern und Interviews bombardiert werden, die nichts und wieder nichts sagen. Dieses Büchlein ist eine Sammlung an Gedanken, die einen neuen Zeitgeist reflektieren, von einer Warte aus, die der Durchschnitt mitunter nicht bedenkt. Er berichtet von seinen Gefühlen und Ängsten, die ihn erfassen, wenn er an eine Zukunft denkt, die sich niemand ausmalen möchte, mit Grenzen und neuen Mauern, Zäunen, Stacheldraht. Er ermahnt in seinem Ton die Menschen, zu bedenken, was sie tun würden, gemahnt der Empathie. Das Konzept ist gut, allerdings gefallen mir die Anmerkungen vor den Texten nicht. In kursiver Schrift wird vorab der Kontext des Artikels oder Textes erläutert (grundsätzlich lobenswert), doch nicht in neutraler, sondern in sehr wertender und werbungsähnlicher Form. Mit dem puren Kontext wäre ich auch bereits zufrieden gewesen, schließlich benötige ich in diesem Fall keine Werbung um die Person Weckers, ich halte sein Buch ja bereits in Händen. Dennoch haben seine Texte etwas Neues und durchaus Lesenswertes an sich, er weiß, wovon er schreibt und kennt auch durchaus die richtigen Leute zum Zitieren. Viele, viele interessante Stellen haben mich zum Nachdenken angeregt, allen voran „Hass kann man verwandeln“. Fazit: Eine freundliche Erinnerung, dass die Unmenschlichkeiten auf der Welt uns nicht unserer Menschlichkeit berauben sollten.

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