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Rezensionen zu
Der Tyrann

Stephen Greenblatt

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"Wie ist es möglich, dass ein ganzes Land einem Tyrannen in die Hände fällt?" Seite 9 Dieser noch immer aktuellen Frage stellt sich der Harvard-Professor Stephen Greenblatt und nimmt dafür William Shakespeares Werke zur Hand, die sich als erstaunlich profunde Quelle für Erklärungsansätze eignen. Denn schon im ausgehenden 16. Jahrhundert hat der Dramatiker das Wesen der Gesellschaft und die inneren Antriebe von späteren Tyrannen aufs Genaueste seziert und beschrieben. An der Aktualität gemessen fallen natürlich unmittelbar und ohne Schwierigkeiten einige neuzeitliche Machthaber in dieses Raster hinein - und auf verstörende Weise lassen sich elementare Ähnlichkeiten im sozialen Verhalten, dem Machtmissbrauch und damit einhergehender Skrupellosigkeit herleiten - ebenso wie in dem gesamtgesellschaftlichen Verhalten, das oftmals fassungs-, aber auch willenlos dem Machtstreben eines offensichtlich Ungeeigneten zuschaut oder sich gar als willige Gehlfen in Eigeninteresse um den Emporkömmling sammeln. Ist der Mensch bzw. die Gesellschaft unfähig zu lernen? Es scheint so. "Ziel ist es, Chaos zu erzeugen; das soll die Bühne bereiten für die Machtergreifung des Tyrannen." Seite 43 Auf eine kurze kulturhistorische Einführung ins Elisabethanische England folgen klare Bezüge auf Shakespeares große Werke, die die Tyrannei in den Mittelpunkt stellen. Es wird aufschlussreich dargelegt, wie schon bei Richard III., Coriolan und Macbeth die Mechanismen des Bösen greifen, wie sehr Lügen und Intrigen auch hier bereits zum (kurzfristigen) Erfolg des Tyrannentums geführt haben. Diese Zusammenhänge zwischen Shakespeares Dramaturgien und aktuellen Entwicklungen aufzuzeigen gelingt dem Autor auf nahezu geniale Weise. Hochinteressant, mit wieviel Fachwissen Greenblatt hier umgeht, wie lesbar es trotzdem aufbereitet ist. Faszinierend und zugleich schlüssig legt er dar, dass sich die eigentliche Seele der menschlichen Gesellschaft in ihrem Inneren seit Shakespeares Zeiten nicht verändert hat. Es bleiben dieselben menschlichen Automatismen, dieselben Ängste, ob begründet oder nicht, dieselben Vorbehalte gegen Fremdes und Neues. Das macht das Werk des großen William so zeitlos und intensiv aktuell. Er wusste, dass sich das Wesen des Menschen nicht ändert. Sehr spannend war für mich, die Intention Shakespeares hinter einigen Dramen zu entdecken. Hier werden Sichtweisen angeboten, die ich so noch nie bedacht hatte.. Eine große Erweiterung meines Shakespeare-Erlebens und auch der Einordnung heutiger diktatorischer Aufkommen. Wer sich also jemals gefragt hat wie es möglich war, dass jemand wie Donald Trump an die die Macht gelangen konnte, der kann bei Shakespeare nachlesen. Oder bei Greenblatt, der dies meisterlich verknüpft. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung für die, die sich von der Aktualität von Shakespeares Werk überzeugen möchten - und die entdecken möchten, wie Tyrannen dann letztlich doch an sich selbst scheitern - weil das Schlechte niemals siegen kann. "Shakespeare war überzeugt, die Tyrannen und ihre Günstlinge würden am Ende scheitern, an ihrer eigenen Bösartigkeit und an einem Geist der Menschlichkeit, die sich zwar unterdrücken,aber nie ganz ausrotten lasse." Seite 207

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“Er ist ein pathologischer Narzisst und in höchstem Maße arrogant. Er verfügt über eine groteske Anspruchshaltung und hat nie einen Zweifel daran, dass er tun knn, was er will. Er brüllt gern Befehle und sieht, wie seine Untergebenen sie hastig ausführen. Er erwartet unbedingte Loyalität, ist aber unfähig zur Dankbarkeit” Wer nach diesen Zeilen ein weiteres Enthüllungsbuch aus dem Weißen Haus oder ein Psychogramm der Trump-Administration erwartet, täuscht sich. In seinem Buch “Der Tyrann” schildert der Literaturwissenschaftler und Pulitzer-Preisträger den Charakter des Shakespeare-Schurken Richard III. Darin setzt er sich mit “Shakespeares Machtkunde für das 21 Jahrhundert” auseinander. Der Keim seines Buches, so schreibt Greenblatt, sei seine “wachsende Sorge über den Ausgang einer bevorstehenden Wahl” gewesen. Und nachdem die Wahl seine schlimmsten Befürchungen bestätigt habe, grübelte er weiter über “Shakespeares unheimliche Relevanz für die politische Welkt, in der wir uns nun befinden”, heißt es ohne namentliche Erwähnung Trumps. Wie aktuell Shakespeares Dramen mit ihren Schilderungen von Machtgier und Intrige, politischer Verantwortung und Manipulation des Volkes sind, zeigt Greenblatt besonders an Aufstieg und voll von Richard III und Macbeth, aber auch die Frage des Tyrannenmords in Julius Caesar und die Vereinsamung an der Macht am Beispiel von König Lear werden erörtert. Auch das Umfeld, in dem Shakespeares Dramen entstanden, kommt zur Sprache: Kritik an der Königin hätte schließlich als Verrat gegolten. Jedliche Kritik an Tyrannei in einer Zeit, in der staatiche Zensoren auch in Theatersälen nach Anzeichen für aufrührerisches Gedankengut hielten, hatte sich also tunlichst auf eine Herrschaft in der Vergangenheit und so fiktiv wie möglich zu beziehen, Mit zahlreichen Zitaten aus den geschilderten Werken beschreibt Greenblatt Populismus und Größenwahn, Paranoia der Mächtigen und die Haltung derjenigen, die den Aufstieg des Tyrannen überhaupt erst ermöglichen. Welche Möglichkeiten gibt es noch, die Entwicklung zu stoppen oder zumindest zu mildern? Wer durchschaut die Tyrannei, wie regt und organisiert sich Widerstand? Fragen wie diese sind zeitlos und nicht auf die Bühnenbretter des elisabethanischen Zeitalters beschränkt. Angesichts aktueller Ereignisse hält der Literaturwissenschafler eine geradezu tröstliche Anaklyse bereit: Shakespeare habe nicht geglaubt, dass sich Tyrannen sehr lange halten könnten: “Egal wie schlau sie ihren Aufstieg planten, einmal an der Macht waren sie erstaunlich inkompetenz.” Die Existenz von Langzeitpräsidenten, die sich ihre Herrchaft in einigen Ländern gerne auf Lebenszeit sichern wollen, widerspricht dieser Sichtweise zwar. Doch selbst brutale Herrscher schafften es zumindest bei Shakespeare nicht, die gesamte Opposition zu vernichten – Isloilation und Arroganz beschleunigten den Sturz nur noch mehr. Trump oder Putin sind nicht Richard III. oder König Lear, doch eine spannende Analyse ist “Der Tyrann” dennoch – nicht nur für Politik- und Literaturwissenschaftler.

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