Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Mein Ein und Alles

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Zwischen abgrundtiefen Hass und bedingungsloser Liebe

Von: booksnotdead_13
27.10.2018

Wow, das war wirklich ein ganz besonderes Leseerlebnis. „Mein Ein und Alles“ ist der Debütroman von dem 28-jährigen Gabriel Tallent und ist im Penguin Verlag erschienen. Der wunderschöne Titel und der Klappentext haben mich sofort angesprochen, deswegen habe ich mich sehr gefreut, dass ich vom Penguin Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen habe. Vielen Dank dafür noch einmal an dieser Stelle. Kommen wir zur Geschichte. Die kleine Turtle wächst in den nordkalifornischen Wäldern bei ihrem Vater Martin auf. Sie leben in einer kleinen Hütte, haben wenig Kontakt zur Außenwelt, Großvater Daniel lebt einige Meter entfernt in einem Wohnwagen. Turtle wird von klein auf mit allen möglichen Waffen konfrontiert, ihr großes Hobby ist es, diese täglich mehrmals zu reinigen. Ihre Mutter ist gestorben, man erfährt nicht viel von der Frau. Martin ist ein aggressiver Charakter, sein Erscheinungsbild muss unheimlich beeindruckend sein – groß, breitschultrig, muskulös und mit einer sehr autoritären Ausstrahlung. Laut eigenen Aussagen, liebt Martin seine Tochter über alles, aber der Leser merkt schnell, dass das keine normale Vater-Tochter-Liebe ist. Er misshandelt sie körperlich und emotional in einem so hohen Maße, dass es kaum auszuhalten ist. Ich musste mehrmals stark schlucken und mich fragen, will ich sowas überhaupt lesen. Das kranke an der Geschichte ist, dass Turtle teilweise die Misshandlung genießt, sie verzehrt sich förmlich nach ihrem Vater. Sie sind sich eben gegenseitig ihr „Ein und Alles“. „Oh Gott“, sagte er. „Krümel, ich verzehre mich nach dir. Nach der unerreichbaren Wahrheit in dir. Direkt unter der Oberfläche. Und wenn ich dich anschaue, dann gibt es Momente … in denen ich beinahe, beinahe – Gott. Gott.“ Turtle ist ein sehr kluges Kind, sie ist vielleicht nicht sehr belesen, aber sie hat diese Art von Lebens-Weisheit, die nicht viele besitzen. In der Schule hat sie Probleme, sie mag keine anderen Menschen, vor allem keine Mädchen. Eine Lehrerin, Anna, merkt, dass Turtle Schwierigkeiten zu Hause hat, und wirft ab dem Zeitpunkt ein Auge auf sie. Die Geschichte wird dann erst richtig spannend, als Turtle eines Tages von zu Hause in den Wald abhaut. Sie kennt die Wälder in ihrer Umgebung wie ihre eigene Westentasche und findet sich blind zurecht. Während sie sich problemlos orientieren kann, trifft sie auf zwei Jungs – Jacob und Brett. Ein verrücktes Freundespaar, ihre Dialoge besitzen eine ganze besondere Dynamik und es macht Spaß diese zu lesen. Turtle hilft den beiden Jungs aus einer prekären Lage, und ab dem Zeitpunkt entwickelt Turtle endlich Gefühle für jemand anderes als ihren Vater, sie verliebt sich in Jacob. Und noch etwas anderes passiert nach dieser Zusammenkunft – Turtle merkt langsam, was für ein Mensch, was für ein Arschloch, ihr Vater Martin ist. Wie schon erwähnt, ist für mich die Geschichte erst ab diesem Zeitpunkt so richtig ins Laufen gekommen. Ich konnte das Buch nicht mehr aus den Händen legen. Die Entwicklung von Turtle, und den einzelnen Beziehungen ist einfach so spannend. Das Ende des Romans ist heftig, aber befriedigend. Vom Schreibstil war ich anfangs etwas genervt, Tallent schreibt übertrieben poetisch und beschreibt äußerst detailliert die Umgebungen. Aber um so spannender der Plot wurde, desto mehr konnte ich die Sprache akzeptieren und ignorieren. Ich bin nicht so ein großer Fan, von Poesie, der eine oder andere findet eventuell gerade das gut an diesem Roman, für mich muss es nicht so blumig und ausgeschmückt geschrieben sein. Dann sieht sie eine Spinne. Sie hat die silbrige Farbe sonnengebleichten Treibholzes. Sie hockt düster am Eingang ihres Lochs, die Augen hinter einem Gewirr aus haarigen Beinen verborgen. Die Beine breiten sich aus, und strecken sich vorsichtig aus der Höhle wie grausige, krauchende Finger […]. Die Maus kauert wenige Meter entfernt, über eine andere Samenschote gebeugt, ihr Hängebauch wölbt sich zwischen den Beinen. Als sie mit den Samen fertig ist, schaut sie nach unten, inspiziert die kurzen Haare auf ihrem rosigen Bauch, durchkämmt sie dann in einer jähen, dringlichen kleinen Suchbewegung mit den Fingern und taucht die schnauze in ihren Bauch, um einen Augenblick lang konzentriert zu nagen. Turtle ist so ein abgefahrener Charakter, den ich relativ schnell ins Herz schloss. Natürlich hatte ich meine Probleme, manche Dinge und Gedankengänge nachzuvollziehen, die Art wie sie ihren Vater verehrt, ist beängstigend. Und doch, fängt man schnell an, sie zu bewundern. Wie sie wie Mogli durch die Wälder rennt und sich problemlos zurecht findet, ist toll. Ihr Überlebenswille und ihre Klugheit haben mich mehrmals bewundernd zurückgelassen. Sie ist innerlich so zerrissen und kämpft immer wieder gegen eigene Dämonen, wie Selbsthass, Selbstzweifel und Schuldgefühle. Es schmerzt manchmal, das zu lesen, da die kleine Turtle so absolut fragwürdig erzogen wurde, dass es völlig klar ist, solche Selbstzweifel zu haben. Dieser Roman wird mich bestimmt noch einige Zeit beschäftigen. Ich kann ihn nur empfehlen, allerdings sollte man sich vorher bewusst sein, dass man von Vergewaltigungen und von körperlich schweren Misshandlungen liest.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.