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Rezension zu
Macbeth

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Blut für Blut

Von: Constanze Matthes
17.11.2018

Aus meiner Leseerinnerung heraus ist „Macbeth“ das wohl düsterste und blutigste Drama William Shakespeares. Eines, das von der Gier nach Macht und über Mord, aber auch von Loyalität erzählt. Um 1606 geschrieben, ist es neben „Hamlet“ die bekannteste Tragödie aus der Feder des berühmten Engländers, der die Weltliteratur bis heute und darüber hinaus bestimmt. Anlässlich seines 400. Todestages initiierte der Verlag The Hogarth Press ein besonderes internationales Projekt, mit dem eine Handvoll Werke Shakespeares in ein neues modernes literarisches Gewand gekleidet werden. Knaus verlegte die deutschen Übertragungen. Bekannte Autoren schreiben eine Neuerzählung. Zu der Riege aus insgesamt acht Schriftstellern zählt neben Größen wie Margaret Atwood („Der Sturm“), Howard Jacobson („Der Kaufmann von Venedig“) und Anne Tyler („Der Widerspenstigen Zähmung“) auch der Norweger Jo Nesbø, der – wen wundert es – den Krimi unter Shakespeares Dramen in die Gegenwart holt. Dabei glaubt man zuerst, so dramatisch kann es ja nicht werden. Schließlich wird aus dem königlichen Heerführer ein Inspector, der dem SWAT-Team vorsteht, Recht und Gesetz verpflichtet sein sollte. Macbeth ist respektiert, macht Karriere, aus dem einstigen drogensüchtigen Waisenkind wurde ein angesehener Polizist. Als er jedoch Chef des Bereiches organisierte Kriminalität wird, glaubt er an den Beginn eines Höhenflugs, unterstützt von seiner attraktiven, aber auch um einige Jahre älteren Geliebten namens Lady, die als ehemalige Prostituierte ein Casino führt und ihm suggestiv einflüstert, dass seine Zeit gekommen, er doch für Höheres berufen wäre. Auch tückische Prophezeiungen aus dem Drogenmilieu tun ihr übriges. Macbeth tötet Chief Commissioner Duncan, der nach der korrupten Zeit seines Vorgängers begonnen hatte, in der Stadt für Ordnung zu sorgen und dafür vor allem die brutale Biker-Gang der Norse Riders und das weit verzweigte Drogengeschäft des windigen Kriminellen Hecate ins Visier genommen hat. Doch dieses gut geplante und erfolgreiche Attentat ist erst der Beginn der kommenden blutigen Zeit. Nach und nach lässt er einstige Kollegen, die ihn gefährlich werden könnten, oder deren Familien um die Ecke bringen. Er macht keinen Halt vor Kindern und Frauen und sich auch nicht die Hände schmutzig. Für die Drecksarbeit hat er seine getreuen Vasallen, die seine Mordaufträge skrupellos und akribisch ausführen. Einigen einstigen Polizei-Freunden, doch nunmehrigen Feinden Macbeths gelingt es jedoch, zu fliehen und unterzutauchen – ihnen fällt im späteren Verlauf eine besondere Rolle zu. Sie nehmen wiederum Macbeth ins Fadenkreuz. Es ist ein packendes Katz-und-Maus-Spiel in einer düsteren, von Nebelschwaden und Dauerregen – ein Regentropfen ist ein Begleiter des Lesers – gezeichneten Stadt im Norden, in der Kriminelle die Strippen ziehen, viel Armut herrscht infolge des Niedergangs der Industrie. Drogenhandel, Mord, Prostitution – der kriminelle Sumpf ist tief und schmutzig. Dabei ist Macbeths Ziel ein durchaus löbliches, auch er will die Stadt zu einer besseren machen. Doch anstatt Loyalität und Moral zu wahren, überschreitet er innerlich zerrissen und angetrieben von seiner leidenschaftlichen Liebe zu Lady eine dunkle Grenze und löscht jene aus, die ihm günstig gesinnt waren. Man sollte im Verlauf der Handlung nicht die Toten zählen. Nesbø lässt in seinem umfangreichen Werk reichlich Blut fließen und entwirft brutale Szenen, die mit ihren Details durchaus den Atem stocken lassen, selbst bei jenen, die handfeste Krimikost gewöhnt sind. Es ist eindrucksvoll, wie es dem Norweger gelingt, zwei sehr unterschiedliche Zeiten zu vereinen, auch stilistisch. Der Leser fühlt sich weit zurück in der Vergangenheit und hat zudem eine Story vor sich, die in der Gegenwart spielen kann. Es entsteht dabei nicht die Wahrnehmung einer Zerrissenheit, vielmehr erscheint das Geschehen an einem fiktiven Ort seinen Platz zu finden, allerdings immer mit Blick auf allgegenwärtige und noch immer allgemein gültige Themen. Es geht um Macht und Machtmissbrauch, Lügen und Korruption, Vertrauen und Loyalität. Vor allem die oft dramatischen und tiefsinnigen Dialoge zwischen den Protagonisten laden ein, sich jenen Fragen zu stellen, die Shakespeare in seinem weltberühmten Drama auf engstem Raum zusammengeführt und verdichtet hat. Wie Nesbø das an Seiten eigentlich geringe Stück auf mehr als 600 Seiten in prosahafte Gestalt umgewandelt hat, ohne dass Längen entstehen, und wie er vor allem die Psychologie der Figuren, ihre Wünsche und Ängste, Motive und Obsessionen, zeichnet, imponiert ungemein. Fernab der von vielen Krimilesern geschätzten Harry-Hole-Welt zeigt der Skandinavier zudem, dass er extrem wandelbar ist und dass er nicht ohne Grund zu den Großen seines Fachs zählt.

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