Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Elm Haven

Dan Simmons: “Elm Haven” (Heyne)

Von: Christian Funke
21.03.2019

Es ist ein besonders heißer Sommer im Jahr 1960 und wir befinden uns in Elm Haven, einem kleinen Städtchen im ländlichen US-Staat Illinois. Die Sommerferien stehen kurz bevor und die Freunde Mike, Dale, Duane, Harlen und Kevin können es kaum erwarten, dass die letzte Unterrichtsstunde ihr Ende findet. Doch mit den Sommerferien wird nicht nur das Ende des Unterrichts eingeläutet, auch der an eine furchteinflößende Festung erinnernde Schulkomplex Old Central School wird offiziell dauerhaft geschlossen. Aufgrund sinkender Einwohnerzahlen ist das riesige, verwinkelte Gebäude, welches in großen Teilen schon seit geraumer Zeit nicht mehr genutzt wird, für die Stadt nicht mehr rentabel. Doch bevor die Sommerferien beginnen, verschwindet ein Kind spurlos. Auch wenn der Fall, da es sich um ein Kind aus der sozialen Unterschicht handelte, von der Schulleitung vertuscht wird, ist dies der Beginn mysteriöser Vorgänge in Elm Haven, die ausschließlich den Kindern der Kleinstadt aufzufallen scheinen. So wird es Zeit für die Freunde und ihrer selbsternannten Fahrradpatrouille, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen… Der im April 1948 in Illinois, USA geborene Dan Simmons arbeitete nach seinem Studium 17 Jahre lang als Grundschullehrer, ehe er sich der Schriftstellerei widmete. Auch wenn sein literarisches Talent schon früh bekannt war, veröffentlichte er seinen ersten Roman Song of Kali erst im Jahr 1985. Vier Jahre später erschien der erste Band der wegweisenden Hyperion-Gesänge, ein Jahr später folgte die Fortsetzung. Dan Simmons ist bekannt für seine Produktivität und seine Genrevielfalt. Neben Horror- oder Science Fiction-Romanen bewegt er sich souverän im Thriller- und Abenteuergenre, lässt die Genregrenzen aber auch gerne mal fließend ineinander übergehen. Sein im Jahr 1991 veröffentlichter Roman Sommer der Nacht wird oftmals mit einigen Büchern von Stephen King verglichen, oberflächlich betrachtet mag es dabei auch tatsächlich Ähnlichkeiten zu Es oder Stand by Me geben. Beiden gleich ist ein Schwelgen in einer vermeintlich sicheren/besseren Zeit des Amerikas der 1960er Jahre, wobei hier deutlich wird, dass es Dan Simmons deutlich besser gelingt, mit einer schier unglaublichen Sprachgewalt Stimmungen und Atmosphäre zu erzeugen, die einem Leser das Gefühl gibt, diese Zeit selbst miterlebt zu haben (und das sage ich als großer Stephen King-Fan!). Simmons präsentiert mit einer erstaunlichen Leichtigkeit ein sorgfältig aufgebautes heile-Welt-Szenario, welches er anschließend so subtil wie genüsslich demontiert. Selbst wenn nichts inhaltliches geschieht, ist es für den Leser eine Freude, in seine Beschreibungen einzutauchen und sich in eine längst vergangene, aber aufgrund ihrer sehr plastischen Darstellung äußerst lebhaften Zeit versetzen zu lassen. Natürlich kann man ihm zum Finale des ersten Romans eine latente Uferlosigkeit vorwerfen, doch es macht Spaß, der Fahrradpatrouille bei ihrer Mission beizuwohnen. Ganz verlor der Autor seine Jungs auch nicht aus dem Blick, ließ er sie doch anschließend noch in anderen Romanen auftauchen, doch erst in dem elf Jahre später geschriebenen Im Auge des Winters kehrt man als Leser an der Seite des mittlerweile 51 Jahre alten Dale Stewart nach Elm Haven zurück. Sein Protagonist, ein Literaturdozent und Schriftsteller, hat große private Probleme und beschließt, an den Ort seiner Jugend zurückzukehren und in der selbstauferlegten Einsamkeit mit sich selbst und seiner Vergangenheit ins Reine zu kommen. Doch immer wieder stößt er auf dunkle Flecken in seiner Vergangenheit, die er bisher erfolgreich verdrängen konnte… Im Auge des Winters ist nur schwer mit Sommer der Nacht zu vergleichen, haben wir hier zwar einen direkten inhaltlichen Bezug zu dem grandiosen ersten Roman, jedoch ist diese direkte Fortsetzung eher in dem Bereich des Spukhaus-Genres anzusiedeln, welches mit einer Menge Thrill und der Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit des Protagonisten angereichert wurde. Es war ein cleverer Schachzug des Verlags, beide Romane in einem Sammelband zu veröffentlichen, denn der unvorbereitete Leser würde Im Auge des Winters ohne die Kenntnis des Vorgängerromans nicht verstehen können. Hier jedoch kommt man in den Genuss beider zwar recht unterschiedlichen, doch insgesamt grandiosen Geschichten! Elm Haven, ein Sammelband, der die beiden Romane Sommer der Nacht (Summer of Night, 1991) und Im Auge des Winters (A Winter Haunting, 2002) enthält, erscheint als ansprechend gestaltetes, schwergewichtiges Paperback mit geprägter Klappenbroschur, sowie als eBook, in einer Übersetzung aus dem Amerikanischen von Joachim Körber und Friedrich Mader bei Heyne (1.008 Seiten, €19,99). Mit Elm Haven legt Heyne einen wirklich gelungenen Sammelband vor, der neben dem grandiosen Sommer der Nacht auch den indirekten, elf Jahre später geschriebenen Fortsetzungsroman Im Auge des Winters enthält. Gerade erstgenannter Roman ist eine wunderschön beschriebene, sprachliche Wundertüte der Phantastik, eine Geschichte, die trotz des epischen Umfangs alleine wegen der bildhaften Sprachgewalt keine Sekunde langweilt, sondern ein lebhaftes Kopfkino beschert. Simmons ist ein eloquenter Erzeuger von Stimmungen, der mich bisher in vielen Genres überzeugen konnte und auch hier sein Talent eindrucksvoll unter Beweis stellt. Gerade mit Sommer der Nacht hat er ein beeindruckendes und lange nachwirkendes Meisterwerk geschaffen, welches ich unbedingt empfehlen kann! Christian Funke

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.