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Rezension zu
Widerworte

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Wortlos

Von: Sinnesschmaus
24.03.2019

Der Kulturjournalist und Sachbuchautor Alexander Kissler schreibt eigentlich für das Magazin CICERO und leitet dort das Kulturressort „Salon“. Mit „Widerworte - Warum mit Phrasen Schluss sein muss“ ist gerade sein neues Sachbuch erschienen. Darin widmet er sich fünfzehn ausgewählten Phrasen, die zumeist in der Politik der letzten Jahre eingesetzt wurden. Die fünfzehn Phrasen, darunter so bekannte Beispiele wie „Wir schaffen das“ oder „Menschlichkeit kennt keine Obergrenze“, werden mal kurz in 6 oder länger in bis zu 20 Buchseiten von Alexander Kissler zunächst ein- und damit zugeordnet: Wer hat’s gesagt und wann war das? Danach zerlegt der Autor in gekonnter Manier – man merkt seine literaturwissenschaftliche Ausbildung – warum mit dem Gesagten, der Phrase, „Schluss sein (muss): damit das Denken beginne und die Freiheit wachsen kann.“ So beschreibt Alexander Kissler den Auftrag, den er mit seinem Buch erfüllen will. Ein hehres Ziel, das aber in meinen Augen völlig nach hinten losgeht. Warum ist das so? Da wäre zunächst der zeitliche Rahmen, den Alexander Kissler heranzieht, um auf seine Phrasenjagd zu gehen. Sein temporäres Revier sind die letzten vier Jahre, ziemlich genau ab dem Herbst 2015 und dem Beginn der europäischen Flüchtlingskrise mit Kanzlerin Merkels Satz „Wir schaffen das“ (Kapitel 3, „Widerworte – Warum mit Phrasen Schluss sein muss“). Dieses Kapitel ist zusammen mit Kapitel 14 („Das ist alternativlos“) mit je zwanzig Buchseiten das längste. Wirklich nur ein Blick auf die letzten vier Jahre? Im historischen Kontext nur ein Mückenschiss. Aber warum betrachtet Alexander Kissler nur einen so kleinen Zeitraum, bemüht er doch im Vorwort teils Schriftsteller aus dem 19. Jahrhundert? Weil es ihm eigentlich nicht um die Phrase an sich geht, sondern um den deutschen Umgang mit der Flüchtlingskrise. Und der ist in seinen Augen falsch. Und im Laufe seiner Beweisführung arbeitet er sich an den immer gleichen Schlagworten ab: Heimat, Respekt, Religion, Solidarität. Schon nach dem zweiten Kapitel konnte ich nur mit Mühe weiterlesen. Kapitel 1 („Heimat gibt es auch im Plural“) beschäftigt sich in aller Ausführlichkeit mit dem „Trikot-Gate“ des letzten Jahres. Die Fußballer Mesut Özil und Ilkay Gündogan posierten mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan. Skandal, WM-Vorrundenaus – gähn. Darüber ist schon so viel geschrieben worden, Alexander Kissler fügt keine neuen Aspekte in die unnötige Diskussion, um Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft. Im nächsten Kapitel „Vielfalt ist unsere Stärke“ wird’s nicht besser, denn als Holzhammer-Argument, dass Flüchtlinge nun mal nicht in die deutsche Gesellschaft passen, wird der böse Asylbewerber herangezogen, der Sozialleistungen erschleicht, weil er mit mehreren Identitäten unterwegs ist. Keine Angst, die Silverstervorfälle rund um den Kölner Dom kommen auch noch. Mein Fazit: Mir ist das zu platt. Und zu unausgewogen. Schön wäre es gewesen, wenn sich Alexander Kissler über alle Parteigrenzen hinweg mit unnützen Phrasen beschäftigt hätte, aber seine Zielscheiben bleiben die gleichen: Kanzlerin Merkel, Bundespräsident Steinmeier, Papst Franziskus und die Grünen. Am rechten Rand des politischen Spektrums bleibt Alexander Kissler blind. Die CSU oder die AfD sucht man bis auf wenige nebensächliche Erwähnungen in seiner Phrasenaufzählung vergeblich.

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