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Rezension zu
Das Haus der Verlassenen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Psychologischer Nervenkitzel

Von: Frau Goethe liest
27.03.2019

Im Februar 1959 wird Ivy in die Klinik St. Margaret’s in Südengland eingewiesen. Sie ist schwanger und soll dort ihr Kind entbinden. Zu dieser Zeit ist es ein gesellschaftlicher Makel, wenn Frauen zwar ein Baby aber keinen Ehemann haben. So entscheidet auch Ivys Stiefvater, dass sie in der klösterlichen Abgeschiedenheit bleiben soll, bis alles geregelt ist. Fast drei Jahre erlebt Ivy hinter den Mauern körperliche und seelische Qualen. Ihre Tochter wurde schon kurze Zeit nach der Geburt zur Adoption freigegeben und seitdem schuftet sie in der Wäscherei für ihren Schlafplatz und das karge Essen. Auch die anderen Mädchen verwahrlosen zunehmend. Es ist ihnen verboten zu sprechen. Doch Ivy freundet sich mit der sechsjährigen Elvira an und verhilft ihr zur Flucht. Emily Gunnis zeigt in ihrem Debütroman die unmenschlichen Verhältnisse auf, unter denen ledige Mütter noch lange zu leiden hatten. Im Nachwort erwähnt sie, dass Ende der 60-er Jahre rund 16.000 Adoptionen auf diese Weise bewilligt wurden. An Ivys Geschichte darf der Leser an den Vorkommnissen teilhaben. Ivy schreibt flehentliche Briefe an den Vater ihres Kindes, der sich allerdings zugunsten seiner Karriere von ihr abwandte. Man spürt auch ohne Worte, wie ihre Hoffnung schwindet, ihr Selbsterhaltungstrieb allerdings immer wieder nach Wegen aus der Gefangenschaft sucht. Hilflos beobachtet man, wie die grausamen Züchtigungen vollzogen werden. Es gibt aber auch Abschnitte in dem Buch, die man eigentlich nur in einem Krimi erwartet. Einzeln betrachtet erregen die Todesfälle keinen Verdacht. Sie führen aber alle zu einem Zeitpunkt zurück, der weit in der Vergangenheit liegt. Gunnis Schreibstil ist fraglos kraftvoll und treibt die düstere Geschichte voran. Schon nach wenigen Seiten nimmt sie für sich ein und man legt das Buch nur widerwillig aus der Hand. Die 400 Seiten sind demnach schnell beendet, allerdings bewegt die Handlung auch noch nach der letzten Seite. Die Figuren sind glaubhaft angelegt. Die alleinerziehende Sam stellt die veränderte Sicht der Gesellschaft in der Gegenwart dar. Hätte sie 60 Jahre früher gelebt, dürfte sie ebenfalls kaum Hilfe außerhalb der Familie erwarten. Sie ist es, die die Verhältnisse in St. Margaret’s aufdeckt und als Journalistin auch die nötigen Kenntnisse der Recherche einfließen lässt. Das marode Gebäude soll in nur zwei Tagen abgerissen werden, sodass ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Der Zeitdruck erhöht dabei die Spannung. Je tiefer Sam gräbt, desto mehr fragwürdige Todesfälle deckt sie auf. Der Zusammenhang zwischen den damaligen Entscheidungsträgern und der Gegenwart ist lange Zeit verborgen. Manche Figuren sind abstoßend in ihrem Handeln, anderen möchte man sofort tröstend in die Arme ziehen. Das Geschriebene lässt unmerklich diese Emotionen entstehen. Es werden auch Fragen aufgeworfen, wie es zu diesen auf Tatsachen beruhenden Handlungen kommen konnte. Nicht nur die Ausführenden tragen die Schuld, sondern vor allem die, die trotz des Wissens darüber alles gebilligt haben. Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen, die gleichermaßen bildhaft geschildert werden. Emily Gunnis, die Tochter der Romanautorin Penny Vincenzi, hat einen wundervoll bewegenden, aufschreckenden Roman geschrieben und trägt damit dazu bei, dass die Schicksale dieser jungen Frauen nicht vergessen werden. Die Originalausgabe trägt den Titel The Girl in the Letter.

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