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Rezension zu
Elm Haven

Ein Coming of Age- und Weird Fiction-Horror vom Feinsten. Ein Highlight sondergleichen!!

Von: Pink Anemone
28.04.2019

Dieser Wälzer von knapp über 1000 Seiten enthält 2 Bücher: "Summer of Night" - 1991 Amerikanische Erstveröffentlichung "A Winter Haunting" - 2002 Amerikanische Erstveröffentlichung Aufgrund dessen wird dieser Beitrag ebenfalls in gewisser Weise zwei Rezensionen enthalten, da ich auf beide Bücher getrennt eingehe, um dann ein zusammenfassendes Fazit zu erstellen. Nun denn, wollen wir uns nicht mehr mit unnötigem Geplapper aufhalten und begeben uns nach Elm Haven. ☥☥☥☥☥ Sommer der Nacht "Doch dabei fiel dem aufmerksamen Beobachter plötzlich auf, dass die hohen Fenster große, schwarze Löcher waren, als wären sie entworfen worden, um das Licht zu verschlucken, anstatt es einzulassen oder zu reflektieren. Die theatralischen pseudoitalinienischen Verzierungen waren einem brutalen und gewöhnlichen Stil aufgepfropft worden, den man als Schul-Gotik des mittleren Westens bezeichnen konnte; der abschließende Eindruck war nicht der eines atemberaubenden Bauwerks, nicht einmal der einer wahren architektonischen Kuriosität, sondern lediglich der einer zu groß geratenen, schizophrenen Anhäufung von Ziegeln und Steinen, gekrönt von einem Glockenturm, der eindeutig von einem Wahnsinnigen entworfen worden war." (S. 11) Wir befinden uns im Jahr 1960 und in Elm Haven, einer Kleinstadt in Illinois. Der letzte Schultag und zugleich auch der letzte Tag der Old Central School, welche ab nun geschlossen und verlassen sein wird. Die Vögel zwitschern, die Straße flimmert in der Sommerhitze und für die Kinder haben nun die Sommerferien begonnen. Unter ihnen die sechs Jungen Dale, Mike, Duane, Kevin, Jim und Lawrence, der kleine Bruder von Dale und sie haben die Ferien schon herbeigesehnt. Doch diesmal verlaufen die Sommerferien anders als geplant. Es verschwindet plötzlich ihr Schulkamerad Tubby und die Jungs machen es sich zur Aufgabe ihn zu finden. Da alles mit der Old Central School zusammenzuhängen scheint, beginnen sie genau dort mit der Suche. Doch das Verschwinden von Tubby ist nicht das einzige und schon gar nicht das unheimlichste Ereignis in Elm Haven. Es hat damit lediglich begonnen. Die Jungs: Dale: 11 Jahre, liest mehrere Bücher pro Woche und am liebsten die ACE-Science-Fiction-Reihe - Der Besonnene Mike: Dales bester Freund, ein fröhlicher Junge und immer zu Späßen aufgelegt, obwohl er in ärmlichen Verhältnissen aufwächst - Der Anführer Jim Harlen: von allen nur Harlen genannt; er schneidet nur zu gerne Grimassen und bringt die anderen dadurch in den unmöglichsten Situationen zum Lachen und er hat eine verdammt große Klappe - Der Sarkastische Kevin: 9 Monate jünger als Dale und daher nicht in der selben Klasse; er ist eher der ruhige und schüchterne dieser Truppe - Der Ängstliche Duane: ein pummeliger und eher stiller Junge und hochbegabt, was jedoch von den Lehrern nicht erkannt wird und er den anderen Jungs sicher nicht auf die Nase bindet; er möchte unbedingt Schriftsteller werden - Der Denker Lawrence: der 3 Jahre jüngere Bruder von Dale und auch immer mit dabei. Er hat vor nichts Angst, außer der Dunkelheit - Der Mutige Die Story beginnt ruhig und bedächtig, indem die Kleinstadt, die Protagonisten und die Old Central School vorgestellt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht schon hierbei Gänsehaut aufkommt. Schon die Beschreibung der Old Central School löst leichte Beklemmung aus und zwischendurch, manchmal nur am Rande erwähnt, passiert etwas, etwas das man nicht greifen kann, man aber weiß das es vorhanden ist und einem eine leichte Gänsehaut auffahren lässt - ein Schrei, raschelndes Maisfeld an einem windstillen Tag, unheimliches Flüstern, etc. Diese Dinge kommen immer wieder wie aus dem nichts. Man geht z.B. gerade ins Freiluftkino, um sich eine Abendvorstellung anzusehen, der Geruch von frisch gemähten Gras liegt in der Luft, Grillen zirpen, man freut sich seine Freunde zu sehen und dann ... ZACK ... wird es plötzlich unheimlich und die Nackenhaare stellen sich einem auf. "Dale und Lawrence standen erstarrt auf dem Gehweg, umklammerten ihre Popcorntüten und blickten nach oben, wo die Fledermäuse ihre beiden Namen schrien, mit einer Schärfe, als würden Zähne über eine Schiefertafel gezogen. Weit, weit entfernt sagte die verstärkte Stimme von Schweinchen Dick: 'D-d-d-as war's Leute!' >>Lauf!<<, flüsterte Dale." (S. 81) Anfangs treten diese Dinge nur sporadisch auf, doch im Verlauf der Story wird die Atmosphäre und die unheimlichen Geschehnisse zunehmend beklemmender und die ruhigen Passagen dazwischen kürzer - als würde sich langsam aber stetig die Schlinge des Horrors langsam zuziehen, bis es z um großen Knall kommt. Der Schreibstil von Simmons ist einmalig, der Plot packend und die Charaktere hervorragend ausgearbeitet. Man liest hierbei aus der Perspektive jedes Jungen und daher schließt man jeden einzelnen von ihnen ins Herz, fiebert mit ihnen mit und sieht ihnen dabei zu, wie sie sich entwickeln und über sich hinaus wachsen. Mich konnte jedoch vor allem die dichte Atmosphäre begeistern. Der Autor schafft es auf hervorragende Weise den Leser in einen Sommer der 60er zu katapultieren. Man sieht Elm Haven mit seinen Farmen, die von Maisfeldern umgeben sind, spürt die Hitze des Sommers auf der Haut, während man mit dem Fahrrad über staubige Landstraßen radelt. Die Atmosphäre macht auch bei den beklemmenden und unheimlichen Stellen nicht Halt. Manchmal war es so spannend und furchterregend, dass ich überlegte ans Ende zu blättern, um mich zu vergewissern, dass alles gut geht und ich gehöre keineswegs zu dieser Art von Lesern die das normalerweise machen. Ich habe es natürlich nicht gemacht und das war auch gut so, denn sonst hätte ich mich um so einige überraschende Wendungen gebracht. "Er hob die langen Finger. Sein Gesicht ... schmolz ... das Fleisch unter der Haut wallte, Knorpel und Knochen gruppierten sich neu, die lange Nase und das Kinn wuchsen zusammen und bildeten die Schnauze, die Mike bei dem Soldaten auf dem Friedhof gesehen hatte." (S. 608) Es ist ein typischer Coming of Age-Horror im Stile von Stephen King und in gewisser Weise eine Mischung aus "IT" und "The Body" (im deutschsprachigen Raum als "Stand by me" bekannt). Doch während King manchmal einen sehr ausschweifenden und "blumigen" Erzählstil hat und seine Stories daher die ein oder andere Länge aufweisen, konzentriert sich Simmons auf das Wesentliche, die Charaktere und Atmosphäre. Längen sucht man hier vergebens. Dieses Buch beschwerte mir das schönste und gleichzeitig gruseligste Leseerlebnis seit Langem und ich wollte die Jungs am Ende überhaupt nicht mehr verlassen. ☥☥☥☥☥ Im Auge des Winters "Als er gegen drei Uhr eine Pause für ein spätes Mittagessen einlegte, floss das Licht bereits wieder aus dem Tag wie graues Abwaschwasser aus der Spüle." (S. 974) Hier begeben wir uns wieder nach Elm Haven. Inzwischen sind 41 Jahre vergangen und der Winter steht vor der Tür. In dieser Story lesen wir aus der Sicht von Dale. Dieser lebt nun in Montana und zu seinen früheren Freunden hat er keinerlei Kontakt mehr. Selbst der Kontakt zu seinem Bruder Lawrence beschränkt sich auf nur wenige Telefonate zu allen heiligen Zeiten. Er ist Literaturprofessor und Autor, Letzteres eher schlecht als recht und seine Ehe hat er aufgrund einer Affäre mit einer Studentin in den Sand gesetzt. Ihn plagen Depressionen, Alpträume und er hat auch einen Selbstmordversuch hinter sich. Eines Tages beschließt er nach Elm Haven zurückzukehren, um ein Buch zu schreiben, so sagt er sich, denn den wahren Grund kann er sich selbst nicht wirklich beantworten. Er mietet das Farmhaus seines verstorbenen Freundes und schon bei seiner Ankunft geht es nicht mit rechten Dingen zu. Was hat ihn wirklich nach Elm Haven gezogen? "Wie auch immer, Dale war davon überzeugt, dass hier in diesem kalten Farmhaus im hintersten Illinois die Wehen eingesetzt hatten und dass eine wüste Bestie auf das Glückliche Eck zukroch, um entweder geboren zu werden oder zu sterben." (S. 967) Hier lesen wir nicht nur aus Dales Perspektive, sondern auch aus der seines verstorbenen Freundes. Auf diesen möchte ich jedoch nicht näher eingehen, da ich sonst die erste Story spoilern würde. Man trifft zwar nicht auf die Freunde aus seiner Kindheit, doch der ein oder andere bekannte Charakter läuft uns vor die Füße. Auch hier kann Simmons mit der Atmosphäre punkten und auch hier beginnt es eher ruhig und die unheimlichen Passagen treten nur vereinzelt auf. Trotzdem weiß man von Anfang an, dass hier etwas lauert und einem während des Lesens permanent im Nacken sitzt. Im Verlauf werden sowohl Story, als auch die Atmosphäre zunehmend beklemmender und unheimlicher. Zwischendurch reist man immer in die nahe Vergangenheit von Dale und vor allem die Affäre nimmt hiebei einen großen Platz ein. Ich fragte mich manchmal wieso all dies relevant sei, da ich absolut keinen Zusammenhang zur Hauptstory sah und überlegte, ob dies eventuell Lückenfüller sein sollen. Ab der Mitte hatte ich auch das Gefühl zu wissen wohin das alles führt, las jedoch aus Neugierde weiter, da ich wissen wollte wie der Autor das alles aufdröselt und zu Ende bringt. Mann, was hat mich Simmons hinters Licht geführt. Es kommt nämlich alles anders als gedacht und hat mich richtig geflasht. "Jetzt, mehr als vierzig Jahre später, legte sich Dale schlafen und lächelte über die Erinnerung. Er hörte nicht das Kratzen, das an die Stelle des heulenden Winds getreten war - ein Kratzen, das aus der Finsternis hinter dem Ofen kam, wo die Öffnung zum Kohlenverschlag war." (S. 785) Zum Schreibstil sage ich hier nicht mehr viel, denn auch hier stimmt einfach alles. Ich spürte die Kälte des Winters ebenso wie die kalte Umklammerung des Unheimlichen. Diese Story ist Weird Fiction-Horror vom Feinsten. Fazit: Wenn ich einen Wälzer von 1000 Seiten innerhalb von 3 Tagen verschlinge, dann will das selbst bei mir etwas heißen. Ich konnte und wollte nicht aufhören zu lesen. Beide Stories sind auf ihre eigene Art packend und einnehmend, weisen jedoch unterschiedliche Atmosphären auf. "Sommer der Nacht" ist hierbei mein Favorit, wobei das auch an der King-Nostalgie, gelegen haben kann, welche ich dabei empfand. Ich bin ein absoluter Stephen King-Fan, sammle sogar alle seine Ersterscheinungen, aber selbst ich muss zugeben, dass Dan Simmons mich wesentlich mehr packen konnte und mich auf keiner Seite langweilte. Ich wage sogar zu behaupten, dass Simmons ein besserer King ist, wenn man einen Vergleich ziehen möchte. Dieses Buch katapultierte sich somit zu einem meiner absoluten Lesehighlights und am liebsten würde ich wieder von vorne beginnen zu lesen. © Pink Anemone

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