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Rezension zu
Gespräche mit Freunden

Generation Y

Von: LiteraturReich
23.08.2019

Frances und Bobbi sind beide 21 und studieren am Dubliner Trinity College. Sie kennen sich seit der Schule und haben eine fast symbiotische Verbindung. Eine Zeitlang waren sie ein Paar, nun sind sie beste Freundinnen und bilden ein Spoken-Word-Duo, bei dem Frances die Texte schreibt und Bobbi das charismatische Aushängeschild ist. Bei einer ihrer Veranstaltungen lernen die beiden das Ehepaar Melissa und Nick kennen. Diese sind in den Dreißigern, sie Fotografin und Autorin, er Schauspieler, schon arriviert, wohlhabend und ein bisschen glamourös. Man ist voneinander fasziniert und das Beziehungsgefüge gerät heftig ins Schwanken. Davon erzählt die junge irische Autorin Sally Rooney in ihrem hochgelobten Debüt „Gespräche mit Freunden“. Im englischsprachigen Raum fand das Buch gleich begeisterte Aufnahme, aber auch, besonders von männlichen Kollegen einiges an Ablehnung. Seicht sei es, „reine Frauenlektüre“, was immer das auch sein mag. Andere Stimmen wiederum sahen darin DEN Roman über die Generation Y, also die in den Neunziger Jahren Geborenen. Ich denke nicht, dass es einen solchen Generationenroman überhaupt geben kann, keine Generation ist so homogen. Und auch hier ist es natürlich nur ein kleiner Ausschnitt aus der Gesellschaft, der abgebildet wird, gut ausgebildet, einigermaßen wohlhabend, kreativ und weiß. Aber dennoch transportiert der Roman viel Gegenwärtiges. Ich bin zumindest froh, Lebensabschnitt, den man im Nachhinein gerne verklärt, hinter mir zu haben. Denn natürlich ist ein Roman über sehr junge Menschen auch immer ein Bildungsroman, ein Entwicklungsroman. Und die Ich-Erzählerin Frances hat damit zu kämpfen, sich in der Gegenwart zu verorten. Nach außen hin selbstständig, selbstbewusst und unabhängig, bröckelt die Fassade bei genauerem Hinsehen. Frances Identität erscheint unsicher und fragil, so wie ihre wirtschaftliche Lage. Teil der „Generation Praktikum“ leistet sie ein solches unbezahlt in einer Literaturagentur, ist auf die unzuverlässigen finanziellen Hilfen ihres Vaters angewiesen. Die Ehe ihrer Eltern ist schon lange zerrüttet, der Vater trinkt zu viel (eine irische – zumindest literarische – Tradition), lässt sich, sein Haus und seine Beziehung zur Tochter verwahrlosen. Frances ist hin- und hergerissen zwischen Anteilnahme und Gleichgültigkeit. Eine Haltung, die sie auch ihrem eigenen Leben gegenüber einzunehmen scheint. „Manchmal kam es mir so vor, als würde ich es nicht schaffen, mich für mein eigenes Leben zu interessieren, und das deprimierte mich. Andererseits fand ich, dass mein Desinteresse an Reichtum ideologisch gesund war.“ Frances ist wie viele ihrer Altersgenossen in eine ständige Selbstbefragung verstrickt. Wie wirke ich auf andere, wie komme ich an, bin ich gut genug? Wichtig ist eine gewisse Coolness, die nur aufrechtzuerhalten ist, wenn man Distanz wahrt, zu anderen, aber auch zu sich selbst. Gleichzeitig dreht sich bei ihr alles um das eigene Ego, die eigene Befindlichkeit. Ein gefährlicher Spagat, der verletzbar macht. Sich dem zu entziehen, gelingt halbherzig, indem man möglichst wenige Gefühle zeigt, auch wenn man sie in den Sozialen Medien oft inflationär zur Schau stellt. Aber vorsichtig, misstrauisch ist im „Real Life“. So verhält es sich auch in der Liebesbeziehung, die Frances mit Nick eingeht, zunächst im Geheimen, dann mehr oder weniger geduldet von Melissa. Nick ist ein schwacher, labiler Mann, der zu Depressionen neigt. Zunächst gefällt es Frances, dass sie die Kontrolle über die Beziehung behält, sie weitestgehend auf Sex reduziert. Aber dann kommen eben doch Gefühle dazwischen. Gefühle, die sie sich oft nicht zugesteht. Gefühle, die sie manchmal durch körperliche Empfindungen kompensiert, indem sie sich selbst verletzt. Irgendwann wird bei ihr eine schmerzhafte Unterleibserkrankung diagnostiziert. „Gespräche mit Freunden“ von Sally Rooney ist eine Aneinanderreihung von tatsächlichen Gesprächen, von Selbstbefragungen, von Online-Chats, E-Mails, SMS, Telefonaten. Beschreibende Passagen, ob über Personen oder Umgebungen sind eher selten. Mit ihrem klaren, bewusst reduzierten Stil kommt Sally Rooney den Befindlichkeiten ihren Figuren damit sehr nahe und verwebt die verschiedenen Erzählpositionen geschickt miteinander. „Gespräche mit Freunden“ liest sich leicht, vielleicht hallt es auch nicht besonders lange und tief nach, aber es zeigt doch auf ganz eindrückliche Weise, vielleicht nicht die Stimmungslage einer ganzen Generation, aber doch eines bestimmten Teils von ihr. Das ist Sally Rooney gut gelungen. Nun darf man gespannt sein auf ihren zweien Roman, „Normal People“, der hoffentlich bald auf Deutsch erscheint und in England auf der Longlist des Booker Prize 2018 stand.

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