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Rezension zu
Die langen Abende

Amerikanisches Kleinstadt-Panorama

Von: Kate Rapp
08.09.2020

„Die langen Abende“ von Elizabeth Strout Dieser Roman ist kein Roman. Eigentlich ist es eine Sammlung von Kurzgeschichten, zusammengehalten von der Tatsache, dass sie alle in der idyllischen Kleinstadt Crosby in Maine spielen. Olive Kittridge, die Hauptprotagonistin aus „Mit Blick aufs Meer“, für das Elizabeth Strout 2009 den Pulitzerpreis erhielt, wirkt als personifizierte Klammer, die diese Schicksale verbindet. Sie taucht, ähnlich wie Alfred Hitchcock in seinen Filmen, immer wieder in den Geschichten der anderen als Randfigur auf. An diese lockere Verbundenheit der Erzählungen musste ich mich erst gewöhnen. Die Zeitsprünge umfassen immer einige Monate, bisweilen Jahre. Olive Kittridge ist verwitwet und trauert, flirtet und heiratet bald darauf Jack, verzweifelt an dem schlechten Verhältnis zu ihrem Sohn, während die Menschen um sie herum ebenfalls mit ihren Problemen kämpfen. Elizabeth Strout entfaltet den ganzen amerikanischen Kosmos, poliert den gesellschaftlichen Spielgel mit Lakonie und leiser Ironie und zeigt die Menschen mit ihren Fehlern und Abgründen, Vorurteilen und Großmütigkeit, Geiz und Großzügigkeit. Eine beliebte Pastorin entpuppt sich als engstirnig und eifersüchtig, alltäglicher Rassismus zeigt sich bei liebenswerten Großeltern, der Mensch in all seiner überheblichen Winzigkeit, mit seinen inneren und äußeren Vorzügen und Hässlichkeiten tritt in diesem Sommerreigen an. Immer wieder geht es um Angst vor dem Tod, um Einsamkeit und die unsichtbaren Mauern, welche die Menschen voneinander trennen. „Ihm schien, dass sie niemals leichtfertig abgetan werden durfte, die Einsamkeit am Grund eines jeden Lebens, und dass die Entscheidungen, die die Menschen trafen, um dieser klaffenden Schwärze zu entgehen, Entscheidungen waren, denen Respekt gebührte.“ So erzählt Strout vom jungen Mädchen Kayley, das neben der Schule putzen geht, um ein wenig Geld zu verdienen und die Aufmerksamkeit des Ehemanns ihrer grässlichen Lehrerin zu genießen beginnt. Vom großen Bruder, der für den tödlichen Unfall des Vaters in der Kindheit zu unrecht den jüngeren Bruder beschuldigte und an dieser Schuld sein Leben lang trägt. Von der furchterregenden Ex-Lehrerin, die eine ehemalige Schülerin besucht und sie selbstverständlich beim Sterben begleitet, während alle anderen sie meiden. Unausgesprochene Sehnsüchte, alte Rechnungen, unbewusste Herablassung, in ihren Figuren erschafft Elizabeth Strout wunderbare Psychogramme, kommt ohne Analyse und erhobenen Zeigefinger aus und zeigt damit, wie menschlich der Mensch in seinen Stärken und Schwächen ist. Das ganze spielt an diesem beschaulichen Ort, an dem die langen Abende das Leben in goldenes Licht tauchen. Nach dieser Lektüre ist man nachsichtig gestimmt und erfüllt von diesem warmen Strahlen aus Maine.

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