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Rezension zu
Der weiße Abgrund

Portrait eines eigenwilligen Menschen und ein unerwartet tragischer Ausflug in die 50er Jahre des 19. Jahrhunderts

Von: Knigaljub
25.09.2020

Heinrich Heine lebt in Paris, als es allmählich mit ihm zu Ende geht. Welche Krankheit ihn ans Bett fesselt, weiß niemand so genau – aber dass es keine Aussicht auf Besserung gibt, darin sind sich alle einig. Heinrich, genannt Henri, versucht dennoch, dem Dahinsiechen zu trotzen und schreibt in jeder freien Minute an seinem letzten großen Werk: seinen Memoiren. Boëtius zeichnet das Portrait eines eigenwilligen Menschen, dessen letzte Stunde geschlagen hat. Obwohl es nur um den letzten Lebensabschnitts des Dichters geht, wird deutlich, dass Heine nicht nur ein Schelm war, sondern auch ein Mensch der Extreme. Insgesamt habe ich dieses Buch mit echtem Mehrwert gelesen: Ich weiß jetzt mehr über Heine und seine Zeit, er ist mir als Person greifbarer geworden und vor allem hat sich mir das große Rätsel um seinen Tod, von dem ich vorher gar nichts wusste, nachhaltig eingebrannt. Ich muss allerdings zugeben, dass ich gerade anfangs ein Problem hatte, die Erzählstimme zuzuordnen, die irgendwo zwischen biographischem Bericht und allwissender Erzählung, in die sich Figurenbewertungen mischen, pendelt. Der Ausdruck ist eloquent, für die Symptome von Heines Krankheit werden beispielsweise Fachausdrücke verwendet. Heine selbst spricht und denkt manchmal in seinen Versen. Ich mochte das, aber als fast anderthalb Seiten lang ein anderes Werk auf Französisch zitiert wird, empfand ich das als einen leichten Bildungsbürgerton-Overload. Allerdings wird hierzu dann auch ein amüsanter Kontrast geschaffen, weil es zwischendurch um äußerst banal ausgedrückte Banalitäten wie Heines Stuhlgang geht. Insgesamt ein interessanter Roman über Heinrich Heine, dessen Höhepunkt – der weiße Abgrund – noch dazu mit unerwarteter Tragik und Spannung aufwartet. Für literarisch und historisch Interessierte, die nach Paris in die 1850er Jahre reisen, dort auf Literaten, Papageien und skurril anmutende Behandlungsmethoden treffen wollen, ist dieser schmale Roman das richtige Transportmittel.

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