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Rezension zu
Elmet

Wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt

Von: Letteratura
08.02.2021

Der Zufall wollte es, dass ich innerhalb von wenigen Wochen drei Romane gelesen habe, die abseits spielen, in abgelegenen Gegenden, wo die Zeit langsamer voranzuschreiten scheint. Wo Menschen leben, die die Einsamkeit suchen oder sich zumindest mit ihr arrangieren, die sich wenig um das scheren, was gemeinhin als „normal“ bezeichnet wird. Doch die Romane unterscheiden sich auch sehr: In Ottessa Moshfeghs „Der Tod in ihren Händen“ und in Olga Tokarczuks „Gesang der Fledermäuse“ sind die Protagonistinnen ältere, etwas verschrobene Frauen, es geht im weitesten Sinne um Kriminalfälle, doch auch hier ist das eigentlich schon wieder alles, was die beiden gemeinsam haben (neben der Tatsache, dass sie empfehlenswert sind). In Fiona Mozleys Roman „Elmet“, der es 2017 bis auf die Shortlist des Booker Prize geschafft hat, liegen die Dinge wieder anders: Hauptfigur und Ich-Erzähler ist hier der 14jährige Danny, der mit seinem Vater und seiner 16jährigen Schwester Cathy aufs Land gezogen ist. Sie leben von dem, was sie selbst erwirtschaften. Es ist ein einfaches Leben voller durchaus auch harter Arbeit, die Kinder, die gerade keine mehr sind, müssen mit anpacken. Aufgewachsen sind sie bei der Großmutter. Der Vater war oft unterwegs und auch die Mutter kam immer nur für einige Tage oder Wochen zu Besuch, hatte Probleme, von denen die Kinder nichts verstanden. Irgendwann blieb sie verschwunden. Nach dem Tod der Großmutter nahm der Vater die Kinder zu sich, in ein zurückgezogenes, aber selbstbestimmtes Leben. John Smythe ist ein Hüne von einem Mann, riesig, sehr stark, und so hat er sein Geld bisher mit illegalen Kämpfen verdient. Damit soll nun Schluss sein, Frieden oder wenigstens Ruhe einkehren. Danny und seine Schwester Cathy erhalten Hausunterricht von einer früheren Freundin ihrer Mutter. Während Danny die Stunden mit ihr ernstnimmt, zieht es Cathy hinaus, ohne dass ihr Bruder wüsste, was sie während der Zeit eigentlich macht. Zu Beginn von „Elmet“ erfahren wir Leser*innen, dass etwas Schreckliches geschehen sein muss, dass Danny seine Schwester sucht, aber es bleibt im Unklaren, warum. Die Haupthandlung wird mit der großen Aufmerksamkeit Dannys und in leicht naivem Ton erzählt. Seine Sicht auf die Dinge wird zu unserer, sie macht den Roman aus. Danny befindet sich im Übergang vom Kind zum Erwachsenen, doch seine einzigen Vorbilder sind sein Vater und seine Lehrerin. In ihm ist aber auch noch viel Kindliches. Diese Erzählperspektive funktioniert sehr gut und wirkt authentisch. Die Handlung nimmt Fahrt auf, als Mr Price auftaucht, ein mächtiger Mann, der nicht nur das Sagen in der ganzen Gegend hat, sondern dem auch das Land gehört, auf dem Dannys Familie lebt. Land, das ihm eigentlich egal ist, er ist einer, dem es ums Prinzip geht und er will, dass sie verschwinden. Dannys Vater weiß, eigentlich wäre es vernünftiger, sich dem Kampf nicht zu stellen, denn Mr Price hat viele Männer auf seiner Seite und ist es gewöhnt, zu bekommen, was er will. Gibt es zu Beginn von „Elmet“ noch die Zuversicht, ein Leben im Einklang mit der Natur führen zu können, ein Leben auch im Einklang mit den Mitmenschen, so bekommt diese Zuversicht immer mehr Risse. Fiona Mozley gelingt es gut, zu zeigen, wie die Atmosphäre sich verdunkelt, auch wenn ihre Erzählerfigur Danny nicht an eine unbesiegbare Bedrohung glaubt. So wird man nach und nach mehr hineingezogen in die Geschichte. In Bezug auf Danny ist der Roman auch eine Coming-of-Age-Geschichte: Es ist ein beschleunigtes Erwachsenwerden, wenn er bemerkt, dass er vor allem auf sich selbst setzen muss, als er ahnt, dass sein Übervater vielleicht doch nicht unverletzlich ist. „Elmet“ rührt außerdem an der Frage, ob und unter welchen Umständen das eigentlich geht: Ein Leben im Einklang mit der Natur. Wie sehr braucht man andere, und wie kann so ein Leben aussehen und glücklich machen? Fiona Mozleys Roman entfaltet seine Kraft nach und nach. Es ist ein raues, manchmal unbarmherziges Buch.

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