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Rezension zu
Meine dunkle Vanessa

Eindringlich und verstörend - doch der letzte Funke wollte nicht überspringen

Von: Lesendes Federvieh
20.02.2021

Kate Elizabeth Russel trifft damit mitten in den Kern der MeToo-Debatte und doch ist diese Geschichte, in deren Zentrum das Thema Missbrauch steht, anders. Anstelle der klaren Differenzierung zwischen Täter und Opfer sind die Grenzen hier unklar, denn Vanessa sieht sich auch Jahre später nicht als Letzteres, sondern beharrt vehement auf ihrer Liebe zu Jacob Strane. Doch vor allem dieser Umstand verleiht dieser Erzählung ihre geradezu mystische Einzigartigkeit. Denn Vanessa ist ein unglaublich vielschichtiger, schwer greifbarer Charakter, der sich jeder Logik entzieht und besonders aufgrund ihrer Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Verständnis der Opferrolle fasziniert. Zwischen den Zeitebenen wechselnd findet man sich in einem ungewöhnlichen Beziehungskonstrukt wieder, das von Missbrauch, ungleichem Machtgefüge und Abhängigkeit gekennzeichnet ist. Schrittweise durchlebt man gemeinsam mit Vanessa die anfänglichen Komplimente zu ihrem ahornroten Haar, die schon bald in kleine Zuwendungen bis hin zu körperlichen Annäherungsversuchen übergehen. Man ist gleichermaßen mittendrin wie distanziert, während die Alarmglocken bei den ersten Anzeichen des Groomings lautstark zu schrillen beginnen. Ohnmachtsähnlich muss man mitansehen, wie ihr Englischlehrer eine Grenze nach der anderen überschreitet und die Einsamkeit einer jungen grüblerischen Einzelgängerin unter dem Deckmantel echter Zuneigung ausnutzt. Neben dem offensichtlichen Missbrauch gelingt es Kate Elizabeth Russell obendrein differenzierte Sichtweisen sowie schonungslose Umgangsmöglichkeiten mit diesem eigentlich so sensiblen Thema erschreckend eindringlich vor Augen zu führen. Einige Szenen, wie etwa das Verhalten der Schule sowie das zweischneidige Schwert von Social Media, haben beinahe noch mehr Übelkeit hervorgerufen als der Missbrauch an sich und sich nachdrücklich in meinen Gedanken festgesetzt. Wenngleich diese Geschichte sprachlich herausragend geschrieben ist, einen ungewöhnlichen Blickwinkel wählt und zahlreiche Gedankenanstöße liefert, so ist bei mir der letzte Funke dennoch nicht übergesprungen. Vielleicht waren meine Erwartungen aufgrund der großen positiven Resonanz unverhältnismäßig hoch, womöglich blieb mir Vanessa aber bis zum Ende schlicht zu undurchsichtig. „Meine dunkle Vanessa“ ist voller anklagender Widersprüchlichkeiten, begeistert gleichermaßen durch sprachliche Raffinesse wie es durch explizite Szenen des Missbrauchs verstört und doch ist bei mir der letzte Funke nicht übergesprungen.

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