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Rezension zu
Elmet

Beklemmend, verstörend, aber auch wunderschön

Von: Zeilen der Welt
06.06.2021

Gleich zu Beginn des Buchs wird mit einem Zitat aus dem Gedichtband „Remains of Elmet“ des englischen Schriftstellers Ted Hughes der Ton des Buches gesetzt. „Elmet“, zugleich Titel des Romans, war das letzte unabhängige keltische Königreich in England, so heißt es dort. Doch noch lange darüber hinaus, bis ins 17. Jahrhundert, waren die Wälder Elmets eine Zuflucht für Gesetzesflüchtige. Eine ebensolche Zuflucht, ein Königreich mit ganz eigenen Regeln, hat sich auch Familie Smythe geschaffen: Der 14-jährige Daniel, der im Roman als Ich-Erzähler fungiert, lebt mit seiner älteren Schwester Cathy und seinem Vater John ebendort – in den Wäldern von Elmet, im armen Norden Englands. Dort haben sie sich eigenhändig ein kleines Häuschen gebaut und leben von der Jagd und selbst gezogenem Gemüse. Der Vater, berühmt-berüchtigt in der Gegend ob seiner Stärke, verdient sein Geld mit illegalen Faustkämpfen, denn sonst gibt es in Englands Norden nicht viele Verdienstmöglichkeiten. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, ebenso die Mieten, dafür sind die Aussichten entsprechend gering. Scheinbar um all dem zu entfliehen hat sich John mit seinen Kindern in den Wald zurückgezogen, wo sie isoliert von der Außenwelt ein freies und unabhängiges Leben führen. Doch das selbstgeschaffene Paradies wird bedroht, als plötzlich der Großgrundbesitzer Mr. Prize vor der Türe steht und das Wäldchen und alles, was darin ist, für sich beansprucht. Doch John gibt nicht nach und unvermeidlich eskaliert die Situation. Fiona Mozleys Debütroman „Elmet“ wurde 2017 als Überraschungshit auf die Shortlist des Man Booker Prizes gesetzt und das völlig zurecht. Die ungewöhnliche Familiengeschichte ist gleichzeitig ein Roman über die Bedeutung von Heimat und Zuhause sowie soziale Ungerechtigkeit und ihre Folgen. Dabei lebt der Roman von seiner atmosphärischen und bildgewaltigen Sprache. Mozley zeichnet den Wald und das Leben Daniels so bildhaft und intensiv, dass man beim Lesen beinahe das Gefühl hat, mit den Smythe-Geschwistern durch den Wald zu streunen. Ich-Erzähler Daniel ist eine sanfte Seele, er ist feingeistig und interessiert sich sehr für Literatur. Im Gegensatz zu seiner Schwester genießt er die Unterrichtsstunden bei der Nachbarin Viviane und verbringt gerne Zeit mit Hausarbeiten. Cathy dagegen kommt nach John; sie ist wild, getrieben und wandert lieber rastlos durch den Wald als ihre Zeit drinnen zu verbringen. Doch trotz aller Gegensätze sind die Familienbande eng, der Umgang miteinander geprägt von Fürsorge und Liebe – und Schweigen. Denn viele Dinge bleiben ungesagt von Vater John und werden von den Kindern nicht hinterfragt. So das Verschwinden und der Tod der Mutter oder die gewalttätige Vergangenheit des Vaters, der als Geldeintreiber für Mr. Prize gearbeitet hat. Auch die Hintergründe für ihren Umzug in den Wald und die doch recht radikale Isolierung bleiben im Dunkeln und werden nicht angerührt. Die fast schon poetische Sprache des Romans spiegelt dabei die Naivität des Ich-Erzählers Daniel, der genau wie seine Schwester den Vater zum Helden stilisiert und niemals in Frage stellt. Dennoch schwingt stets die drohende Gefahr mit, die sich für die Leser*innen schon früh erahnen, aber lange nicht richtig greifen lässt. So steht die lyrische Sprache auch im starken Kontrast zur Gewalt und Brutalität, die immer wieder durchblitzt. „Elmet“ von Fiona Mozley ist ein einzigartig erzählter Debütroman, der von einer ganz besonderen Atmosphäre und starken Kontrasten geprägt ist. Die beiden Geschwister Daniel und Cathy sind zwei überaus gegensätzliche Figuren, die auch die Welt auf ihre ganz eigene Weise sehen. Zudem stehen Daniels idealisierte Vorstellung von seinem Vater, seine kindliche Naivität und Feingeistigkeit, die sich auch in seiner fast schon lyrischen Sprache widerspiegelt, in starkem Kontrast zur rauen Wirklichkeit, die sich für die Leser*innen wie ein dunkler Schatten über die Handlung legt. Beklemmend, verstörend, aber auch wunderschön.

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