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Rezension zu
Und du fliegst durch die Nächte

Shakespeare in Berlin – ein Plädoyer für queeres Lieben und Lieben-lassen

Von: Der Medienblogger
27.10.2021

Ein weit gereister Sunnyboy verliebt sich in einen gefeierten Techno-DJ, vor der Kulisse Berlins. Eine dualistische und queere Liebesgeschichte im romantisch-pathetischen Mantel – eine Kritik zu "Und du fliegst durch die Nächte" Dualismus zwischen Charakteren à la „Romeo und Julia“ als Ausgangspunkt „Und du fliegst durch die Nächte“ ist Shakespeare in Berlin, die Verschiebung einer weltbekannten Tragödie in die Gegenwart: Sophie Bichon erzählt die Geschichte von Romeo und Julius, die sich vor einem Techno-Club treffen und deren Wege sich fortan magnetartig überschneiden. Der eine ist ein extrovertierter und stets optimistischer Weltenbummler – der andere ein in sich gekehrter DJ, der im internationalen Rampenlicht steht und den Drogen- und Alkoholprobleme quälen. Durch die Namensgebung und mehrere explizite „Romeo, o Romeo“-Zitate schafft die Autorin einen überbetonten Bezug zu dem Buch, das sicherlich viele ihrer Leser*innen bereits in der Schule analysierten. In „Romeo und Julia“ ist es der soziale Dualismus beider Charaktere, der ihrer Liebe im Weg steht; genau dieser erzählerischen Struktur folgt Bichon auch im vorliegenden Werk. Während die eine Figur kometenhaft aufzusteigen und ihr Leben im Griff zu haben scheint, leidet die andere Person – trotz oder gerade wegen des Partners. Durch die beiden Playlists, die beide Liebende füreinander erstellen und die auf Spotify abrufbar sind, kann das Lesepublikum den Widerspruch zwischen beiden Protagonisten noch tiefer begreifen. Kluge Dialoge in der Auseinandersetzung mit sexuellen Identitäten Diese stur verfolgte Divergenz beider Handlungsverläufe bietet nur wenige Überraschungen; schon nach dem Klappentext sind weite Strecken des Plots vorhersehbar. Zugleich bietet sie interessante Ausgangspunkte für die Auseinandersetzung mit der eigenen sexuellen Identität: Julius hat sich über die Jahre hinweg ein stärkendes, liebendes Umfeld geschaffen und einen offenen Umgang mit seiner Homosexualität gelernt; Romeo hingegen schlug mit seinem Coming-Out als bisexueller Mann Ablehnung und physische Gewalt entgegen. Konfrontieren sich beide Figuren mit ihren Ängsten, entstehen klug formulierte Dialoge, die großes Identifikationspotenzial für queere Menschen und zugleich Handlungsvorschläge für Mitmenschen bieten. Aufarbeitung von inneren Wunden gerät zu oberflächlich Die Aufarbeitung von Romeos Drogenabhängigkeit und dem (teils) suizidal anmutenden Wunsch, sich fallen zu lassen, gerät hingegen zu schnell und oberflächlich. Die schrittweise Analyse und Auflösung dieser ernstzunehmenden inneren Wunden werden verhältnismäßig schnell „abgefrühstückt“ und in ein emotional verklärtes letztes Kapitel gequetscht. „Und du fliegst durch die Nächte“ lässt sich viel Zeit, schöne (gefühlsduselige) Worte zu verlieren und von den Charakteren einzufordern, auch die Hässlichkeit des Lebens auszusprechen – und löst diesen Kompromiss an dieser Stelle selbst nicht ein. Bichons Schreibstil ist inbrünstig und gut beobachtet Sophie Bichon schreibt sinnlich, gut beobachtet, intim, nahbar, durch und durch romantisch – in ihren Worten emotionalisiert sie mit einer bewundernswerten Inbrunst die Stadt Berlin, den gegenwärtigen Moment, das Kleine und dennoch Bedeutsame. Das Knistern zwischen Julius und Romeo ist zu spüren, während man sich Seite für Seite tiefer in Bichons optimistische Liebeshöhle einlullt. Ein goldener Instagram-Filter über der Wirklichkeit Dabei gibt sich die Autorin so sehr einer überbetonten Überromantisierung hin, dass die Grenzen des Realistischen ausgehebelt werden: Es ist, als würde sie einen goldenen Instagram-Filter über die Welt legen, der jeden Moment im perfekten letzten Sonnenlicht des Tages erstrahlen lässt. Diesen pathetischen Schreibstil und die exorbitante Gefühlsduseligkeit muss man mögen – in dem vorliegenden Werk ist nur selten Platz für subtile Töne à la „weniger ist mehr“. Wer sich aber auf diese Prämisse einlässt und dieser angenehm leichten Illusion hingibt, kann auf knapp 500 Seiten Romeo und Julius kennen und lieben lernen und möchte sofort nach Berlin ziehen. Bei der vorliegenden Lektüre handelt es sich um den zweiten Band der „Love Is Love“-Buchserie; trotzdem lässt sie sich ohne Vorwissen über den vorherigen Teil genießen. Mignon und Lilou, die Hauptfiguren von „Und ich leuchte mit den Wolken“, können hier dennoch mit einem zuckersüßen kurzen Auftritt glänzen. Fazit Letztendlich ist „Und du fliegst durch die Nächte“ ein überzeugendes, wenngleich kitschiges Plädoyer für queeres „Lieben und Lieben-lassen“. Ich freue mich auf den dritten und abschließenden Band.

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