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Rezension zu
Die Parabel vom Sämann

Eindrückliche Dystopie zwischen Climate Fiction und Sci-Fi

Von: notwithoutmybooks
10.09.2023

Geht es nach der Sci-Fi-Ikone Octavia E. Butler, so wird es schon 2024 mindestens in den USA zunehmend Mad Max-Verhältnisse geben: Wasser kostet ein Vermögen, große Gesellschaftsteile versinken in Armut respektive Drogensucht und Wahnsinn, Morde sind an der Tagesordnung, staatliche Strukturen kaum existent, reaktionäre Ideen greifen um sich und etwas besserverdienende Familien haben sich in Gated Communities abgeriegelt. Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt es nicht wirklich. Nicht zuletzt der Klimawandel ist verantwortlich für dieses Szenario, das die Autorin in der „Parabel vom Sämann“, dem ersten Band ihrer Earthseed-Trilogie, entwirft. Und während des Lesens muss man sich immer wieder daran erinnern, dass diese Dystopie schon 30 Jahre alt ist – denn leider sind viele der behandelten Themen noch immer aktuell, behandelt das Buch doch Inhalte wie Klimawandel, Rassismus, Abschottung, Armut und mangelnde gesellschaftliche Solidarität. Die politischen Unruhen und die Entwicklung dieser Dystopie erleben wir aus den Augen von Lauren Olamina, die mit Vater, Bruder und Stiefmutter in einer Gated Community lebt und regelmäßig Tagebuch schreibt. Ihr Vater ist Priester und dass ihre leibliche Mutter drogensüchtig war, hat auf Lauren nachhaltigen Einfluss. Als Folge der Droge im Mutterleib ist sie nämlich hyperempathisch, d.h. jede körperliche Verletzung, die jemand in ihrer Umgebung erleidet, fühlt sie auch. In dieser dystopischen Realität ist das definitiv nicht besonders gut, weshalb sie diese Angriffsfläche schon früh durch Überlebenstraining auszugleichen begonnen hat. Sie kann nicht nur Eichelbrot backen, sondern trainiert mit der Waffe, hat sich Wissen angeeignet, mit dem sie auch außerhalb des Dorfs überleben kann. Der Grund dafür liegt nicht nur in der zunehmenden Bedrohung der Gated Community durch verarmte Massen, sondern auch daran, dass Lauren eine der Wenigen ist, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft haben. Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern und eine bessere Zukunft aufzubauen, möchte sie eine neue Religion begründen, „Earthseed“. Doch dazu muss sie das halbwegs sichere Dorf verlassen. „Die Parabel vom Sämann“ ist ein eindrücklicher Genremix: Gesellschaftskritik, Dystopie, Climate Fiction und Sci-Fi mischen sich hier, denn Earthseed soll, wenn es nach Lauren geht, sogar auf andere Planeten ausstrahlen. Earthseed ist eine in sich scheinbar widersprüchliche Religion, denn das oberste Gebot lautet: Alles ist Veränderung. Und doch soll gerade diese Religion ein neues Gemeinschaftsgefühl hervorbringen und Sinn stiften. Damit greift Octavia E. Butler ein spannendes Thema auf, denn Religion ist in vielen Zukunftserzählungen entweder Nebensache oder negativ behaftet (etwa in Handmaid’s Tale). Auch in der Parabel vom Sämann wird diese Funktion von Religion beleuchtet, und doch lenkt Butler mit Earthseed den Blick auf mögliche positive Elemente von Spiritualität. Das ist bemerkenswert und interessant, auch wenn man, wie ich Religionen persönlich eher skeptisch gegenübersteht und sie eher aus wissenschaftlichem Interesse spannend findet. Dass es sich dabei um keine etablierte Religion handelt, sondern eine frühe Entstehungsphase, und dass die Religion dabei von vornherein auch einen strategischen Nutzen hat, bringt noch mehr Tiefe hinein und eine große Stärke des Buchs liegt darin, dass man die Inhalte von Laurens Religion nicht teilen muss, um vom Buch eingesogen zu werden. Lauren selbst ist für mich kein außergewöhnlich liebenswerter Charakter: Sie ist altklug, etwas verbohrt, ziemlich straightforward. Aber ihre mit dem Kopf durch die Wand-Mentalität erweist sich in dieser blutigen, rauhen Umgebung als notwendig, einer Umgebung, deren Brutalität Butler schonungslos illustriert. Etwas unglaubwürdig fand ich Laurens Lebensklugheit, denn zu Beginn der Geschichte ist sie gerade mal 15. Das lässt sich aber durchaus mit ihrer Hyperempathie „entschuldigen“. Der Roman ist wie schon geschrieben mittlerweile knapp 30 Jahre alt, was seine ungebrochene Aktualität umso gruseliger macht. Auch, wenn man ggf. etwas braucht, um ins Buch hineinzukommen: Es ist wirklich lesenswert, so wie Octavia E. Butler generell eine Autorin ist, die man auf dem Schirm haben sollte. Auch „Kindred“ hat mir bereits sehr gut gefallen.

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