Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Das Tal der Blumen

Stark erzählt

Von: Nicole Kleber
03.01.2024

Zu Beginn steht die junge Ich-Erzählerin kurz davor, Grönland Richtung Dänemark zu verlassen, um mit ihrem Studium zu beginnen. Dafür muss sie ihre Partnerin Maliina zurücklassen, was sehr schmerzt, denn die beiden kennen sich erst seit wenigen Monaten und sind sehr verliebt. Doch sie will weg von ihrer Familie und will sich eine Zukunft aufbauen, fern von diesem Land, in dem es entweder rund um die Uhr dunkel oder hell ist, in dem Alkohlmissbrauch auf der Tagesordnung steht und der Bevölkerung Suizid als eine Art Kultur unterstellt wird. In Dänemark angekommen findet die junge Frau sich aber überhaupt nicht zurecht. Vom Rassissmus ihren dänischen Kommiliton:innen schnell zur Außenseiterin, zur vulgären und faulen Indigenen, gemacht, wird es zum Kampf Anschluss zu finde und das Studiensystem zu verstehen. „Mitten in der Vorlesung kommt er lautlos zu mir rüber, setzt sich neben mich und schaut auf meinen Mund. Dann schreibt er etwas auf ein Stück Papier. Bist Du das, die so nach Alkohol stinkt?, steht auf dem Zettel, den er mir hinhält.“ Die Sehnsucht nach Maliina tut ihr Übriges um aus der zwar schon fragilen, aber eigentlich lockeren Frau, die sich durchaus neugierig auf's Leben zeigt, eine in sich gekehrte Person zu machen. Von Anfang an machen die Notizen, welche die Kapitel abgrenzen, aber schon klar, dass sehr viel mehr hinter dieser Geschichte steckt, als eine queere coming-of-age Erzählung. Denn jede dieser Abgrenzungen verweist mit Geschlecht, Alter und Todesursache, auf eine Person, die Suizid begangen hat. Von 45 bis 1 zählt Niviaq Korneliussen diese Kapitel runter – soviele Selbsmorde gibt es durchschnittlich pro Jahr in Grönland und bei einer Bevölkerung von 56 000 kennt so jeder mindestens eine:n der Verstorbenen – so auch die beiden Protagonistinnen: Maliinas Cousine Gudrun erhängt sich mit siebzehn Jahren. Sie kehrt nach Grönland zurück um ihrer Partnerin zur Seite zu stehen. Die beiden beginnen Nachforschungen anzustellen und erfahren, dass es für Gudrun ebenso wenig Hilfe gab, wie für die Grönländer:innen allgemein: Die Hotlines machen Dienst nach Vorschrift, verweisen auf ihren Feierabend und andere Stellen, die vielleicht helfen können und in den Krankenhäusern werden psychische Erkrankungen nicht Ernst genommen, man versucht die hilfesuchenden Patienten schnell wieder loszuwerden. "Wir haben heute viele Patienten [...]. Ich würde vorschlagen, du erzählst das entweder jemandem, dem du vertraust, oder du fragst bei der Gemeinde nach, ob es dort einen Erwachsenen gibt, der dir helfen kann." In dieser Zeit und Umgebung zerbricht etwas in ihr und der zu Beginn des Romans derbe und grobe Ton wandelt sich in eine erzählerisch sehr dichte und atmosphärisch unheilvolle, düstere Diktion. Die Themen Identität und innerer Halt gewinnen an Bedeutung und ein Happy End wird Satz für Satz unmöglicher ... Ein heftiger und sehr lesenswerter Roman, der mich zwar anfänglich aufgrund der Grobheit der Sprache eher abgestoßen hat, sich dann aber beachtlich entwickelt hat! #leseempfehlung Ach ja - das Tal der Blumen ... Nun, so heißt einer der Friedhöfe in Ostgrönland. Ein Friedhof für die, die namenlos bleiben - nur Nummern stehen auf den Kreuzen - für die, die sich selbst getötet haben und auf deren Gräbern Plastikblumen liegen.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.