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Rezension zu
Von Geistern und Schatten

Roxane Gay: Von Geistern und Schatten. Stories

Von: Lucy – gilgi3119_reads
13.02.2024

Ich muss zugeben, ich bin ein wenig altmodisch, wenn es um Literatur geht. Am besten gefallen mir Bücher, die mich unterhalten, ästhetisch ansprechen und aus denen ich noch etwas lernen kann. Roxanne Gays Erzählungen „Von Geistern und Schatten“ erfüllen seit längerer Zeit endlich einmal wieder all meine Kriterien und ich bin nachhaltig begeistert. Die amerikanische Literaturprofessorin, Essayistin, Autorin und Feministin setzt sich – angeregt durch ihre Familiengeschichte – mit Haiti und der haitianischen Migration in die USA auseinander. Ihre Figuren sind lebendig, auch wenn wir einige nur wenige Seiten begleiten. Sie erzählen von Vorurteilen, wie die Studentin, deren Mitbewohnerin glaubt, sie würde Voodoo praktizieren, nur weil sie Haitianerin sei; sie lassen uns miterleben, was es bedeutet, die eigene (Mutter-)Sprache zu verlieren oder wie man als Frau einen notorischen Frauenhelden verändern kann. Zentral sind jedoch die Themen Gewalt gegen Frauen, Ausgrenzung, Armut und Hoffnungslosigkeit. So schleicht sich dann auch das Politische ins höchst Private, wenn die US-Amerikanerin während ihrer Hochzeitsreise in die Heimat der Eltern entführt und vergewaltigt, oder die Mutter einer weiteren Ich-Erzählerin auch nach 30 Jahren in den USA jeden Tag vom „beißenden Geruch des Blutes“ verfolgt wird. Es ist das Blut, das ihre Zeugung begleitete. Das Blut, das 1937 bei einem vom dominikanischen Diktator Trujillo angeordneten Massaker vergossen wurde. Mehr als 10.000 haitianische Arbeitsmigranten waren getötet worden, ihre Leichen warf man in den Fluss Massacre. Die Großmutter konnte sich in die Fluten retten, versteckte sich zwischen den Leichen und traf dort „den tüchtigen Arbeiter Jacques Bertrand. […] Und anstatt sich abzuwenden, öffnete sie ihm jenen Teil ihrer selbst, der noch nicht taub vor Angst war.“ Roxane Gays Stories sind jedoch alles andere als politische Manifeste. Es sind poetische Narrationen, die ihre Geheimnisse nur langsam preis geben, die uns behutsam durch das Geschehene führen, indem sie wie in „Zucker“ via Rückblenden die Leser*innen nur sukzessive auf das Unfassbare blicken lassen. Sie sind absolut lesenswert, haken sich fest und schüren den Wunsch, mehr über die Geschichte und die aktuelle Situation Haitis zu erfahren. Ein Land, dass sich schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus der Fremdherrschaft durch die Franzosen befreien konnte, aber aktuell politisch nicht zur Ruhe kommt.

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