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Rezension zu
Schmutziger Schnee

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Auf der Höhe der Zeit

Von: Michael Lehmann-Pape
03.03.2016

Wie das so ist mit den „Rechten“ und den „Linken“, den „anti-faschistischen Gruppen“ und den neuen „Rechtskonservativen“ und „Neo-Konservativen“ am rechtesten Rand der Gesellschaft, das sind jene Themen, die Carlsson als Hintergrund seines neuen Kriminalromans setzt und den Leser tief mit hineinnimmt in diese „Szenen“, die Auseinandersetzungen „bis aufs Messer“ (im wahrsten Sinne des Wortes) und all das, was unter dem Deckmantel des „ganz normalen Alltages“ bereits an Positionierungen stattfindet. Ein Soziologe wird erstochen aufgefunden. Und, vorweggesagt, das wird nicht das letzte Todesopfer der radikal-strategischen Hintergründe bleiben. Einer, der eine Interviewreihe vor einiger Zeit als Grundlage für sein Forschungsprojekt gestartet hat. Der das Vertrauen vor allem linker Extremisten gewonnen hat, nicht zuletzt, weil er selber zu Zeiten einmal Teil dieser Szene war. Soweit kommt Leo Junker mit seinen Ermittlungen, bevor er genötigt wird, den Fall an die Staatspolizei abzugeben. Und eigentlich könnte Junker es nun gut sein lassen. Der nach einem traumatischen Erlebnis gerade erst wieder im Dienst ist. Der seine Tabletten dringender benötigt, als neue Probleme auf der Dienststelle. Doch in Junker selbst ist es einfach nicht genauso trist, wie um ihn herum. Sein Büro mag geleert wirken, sein Besucherstuhl der unbequemste aller Orte und Zeiten sein, sein Verhalten unwirtlich und unnahbar, doch das alles sollte seine Vorgesetzten, Kollegen und Gegner nicht darüber hinwegtäuschen, dass einer wie er stetig und beständig an jenen Dingen „dranbleibt“, die ihm auf irgendeine ihm selbst kaum ergründliche Art und Weise nahegehen. Und so taucht Junker ein in diesen Sumpf des sogenannten politischen Kampfes, der vermummten Steinewerfer, der glatten und gelackt wirkenden rechten Extremisten, der „neuen Normalität“ von Nationalismus, Fremdenhass und Konsens-Unfähigkeit, die sich auch in Schweden bereits bei Wahlen niedergeschlagen hat. Und je mehr er in den Interviews des Soziologen gräbt, desto klarer wird ihm, dass er auf der Spur eines geplanten Attentates ist. Doch wer ist Täter und wer ist Opfer? Welche Seite zieht welche Fäden und warum? Fragen, denen auch der Leser bis zum Ende des Romans nachgehen wird. Es ist dabei gerade die Mischung zwischen äußerer Tristesse und innerem „noch nicht ausgebrannt sein“ seines Ermittlers Junker, in der Carlsson ein Bild der Gegenwart über die konkrete Person hinaus lebendig werden lässt. In unruhigen Zeiten, in der alte Ressentiments auf eine Sprachlosigkeit der etablierten Politik trifft, in der längst vergessen geglaubte, intolerante Strömungen reißendes Oberwasser gewinnen und es vorbei mit aller „Gemütlichkeit“ in den Gesellschaften des Westens ist, ist Junker ein Synonym für jene Haltung, die nur fast besiegt nicht bereit ist, ganz aufzugeben, sich einfach in die bequemen Ausreden hinein gehen zu lassen. „„Durch unseren Kampf formen wir die Zukunft unserer Kinder“. Diese Worte klangen gefährlich, giftig. Und wichtig“. Martialische Reden von der „Nation“, der „Überfremdung“, der Renaissance alter, kriegerischer, brutaler Ideen jener „Aktivisten im Schwedischen Widerstand“, die in die Mitte der Gesellschaft drängen. Auf neue, nach außen glattgebügelte Art und Weise. Und dabei junge Menschen versuchen, zu formen, Freunde gegeneinander aufbringen und vor Gewalt nicht zurückschrecken. Wie auch die „Gegner“ zu allem bereit zu sein scheinen. Präzise, klar in der Sprache, düster in der Atmosphäre, ohne vorgefertigte Antworten macht sich Carlsson auf Spurensuche in der Gegenwart und führt den Leser mit hinein dahin, wo es brodelt und gefährlich ist und weiter werden wird.

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